Neben der Endredaktion meines Buches denke ich gerade wieder über Atheismus, Theologie und Glauben am Beispiel des Kreuzes nach.
„So ein Unsinn“
Das tue ich deshalb, weil sich an diesem Thema die weitgehende Hilflosigkeit des Glaubens und dementsprechend das leichte Spiel des Atheismus ganz exemplarisch zeigt. Denn dieses Spiel ist viel zu leicht, er kann da seine Reflexe abspulen, etwa nach der Art:
„Denn was für ein hanebüchener Blödsinn ist es, wenn einem allmächtigen Gott nach einigen zehntausend Jahren auffällt (obwohl er es ja vorher schon gewußt hat), dass seine eigene Konstruktion des Menschen den kleinen Fehler hat, dass alle Exemplare komplett der Sünde und der höllischen Sündenstrafe unterliegen und dass das vielleicht doch ein bisschen schade wäre.
Und um seine Investition noch herauszureißen (man denke etwa an das sicher nicht ganz billige Rebooting des Ganzen durch die Sintflut) läßt er seinen eigenen Sohn ans Kreuz nageln, um dann mit vollem Recht (von ihm selbst gestaltetem Recht) alle Sünden als gesühnt aus den Büchern zu nehmen.
Na super. Und mit so einem Quatsch werden dann die Menschen zu einer ewigen und tiefen Dankbarkeit gegenüber diesem Gott verpflichtet, damit die Pfaffen ..“ (und so weiter und so fort, ich überlasse die weitere Ausgestaltung dem Leser).
Okay, aber wie antworten?
Ich beobachte drei Typen einer Antwort. Die erste, fundamentalistische ist: Ganz richtig, und du wirst das schon noch sehen, allerdings zu spät, wenn du im ewigen Höllenfeuer brutzelst.
Die zweite ist inzwischen ziemlich selten geworden und besteht aus einem milden Lächeln gegenüber diesem uninformierten Krawallmacher, der noch nicht einmal die komplette Bibliothek der Kirchenväter bei sich im Bücherschrank stehen hat.
Die dritte Antwort ist mit der zweiten eng verwandt, dort ist das Lächeln inzwischen etwas gequält geworden ist und stellt die nonverbale Ausgestaltung dar von „hat man in der neueren Theologie ja gar nicht mehr“.
Sanierungsmaßnahmen
Einige Theologen lösen das Problem, indem sie es abschaffen: All das passt nicht mehr für den modernen, aufgeklärten Menschen (ein Prachtexemplar dieser Gattung sehen sie jeden Morgen im Badezimmerspiegel). Also schütten wir Kind, Mutter, Großmutter und Tante mit dem Bade aus: Jesus, Sünde, Erlösung, Kreuz, dieser ganze Zusammenhang kommt in den Giftmüll.
Öfters kommt ein Ruf wie der folgende:
Man muss diese Lehre in einer für den modernen Menschen akzeptablen Form darstellen, die Formulierungen finden, die heutzutage noch den Inhalt dieser alten Vorstellungen vermitteln können.
Dagegen wäre natürlich nichts einzuwenden. Das Problem ist aber, dass eine entscheidende und eigentlich selbstverständliche Frage nicht zuvor gestellt wird.
Preisfrage
Ich mache mir jetzt einmal den Spaß, meinen Post hier zu beenden und meine unübersehbar vielen Leser mit der Frage allein zu lassen: Wenn sie den obigen, kursiv geschriebenen Satz betrachten, was wäre die Frage, die zuvor gestellt werden müsste?
P.S.
Ich habe im Eingang das schöne alte Wort „hanebüchen“ verwendet. Dazu die folgenden Einträge in Wikipedia: Das Wort selbst, der ursprüngliche Tatbestand und ein Beispiel für seine Anwendung, das ich faszinierend finde. Wer sich schon mal gefragt hat, wie in „Herr der Ringe“ die Hecke an der Grenze des Auenlands wohl ausgesehen hat: Hier kann er es sehen.
Wenn Sie beim Erscheinen neuer Posts benachrichtigt werden wollen, dann holen Sie sich in der rechten Spalte den RSS-Feed oder abonnieren Sie hier den Newsletter.
DIE PREISFRAGE:
Hat der Wanderprediger Jesus von Nazareth überhaupt „eine Lehre“ verkündet?
Als Anstoß gemeinte Gegenfrage: Was sonst?
Er hat gepredigt, sonst nichts. Er hat keine Lehre verkündet. Er hat zum Teil ganz gut gepredigt, aber auch nicht unbedingt immer sensationell Neues gesagt. Für den Unsinn, den Kirchenväter, Päpste, Dogmatiker und Politkleriker in seine Worte eingerührt haben, kann Jesus ja nix. Und so menschenverachtende Dinge, wie das, dass, wer nicht an ihn glaubt, dem ewigen Feuer übergeben wird – diesen Schwachsinn hat er nicht gesagt, nehme ich mal an.Denn so dumm war der nicht.
Nachdem hier erstmal Stillstand zu sein scheint, und sich die LR (LR = Linksintellektuelle Religionsmystifikatoren) zum Nachdenken in ihre metaphysischen Dunkelkammern oder, wahlweise, intellektuellen Fitnessstudios, zurückgezogen haben, versucht es der NA (NA = zeitgenössische Normalatheisten: Vgl. „manuel bei Sein und Sollen V: Die Bergpredigt“) hiermit nochmal und zitiert ganz dreist:
Jesus ruft nicht zu einer neuen Religion auf, sondern zum Leben (Dietrich Bonhoeffer).
Mein Vorschlag:
Wenn etwas schon hanebüchener Unsinn ist, wie kann man daraus etwas gewinnen, wenn man es „moderner“ ausdrückt? Es stellt sich quasi die Frage danach, ob durch den dargestellten Sachverhalt die als christliche bezeichnete Lehre überhaupt zutreffend bechrieben ist oder es aus welcher Position auch immer betrachtet hanebüchener Unsinn bleibt.
Ja, sorry. Der Text ab dem „hanebüchenen Unsinn“ bis zum Ende des Absatzes war gedacht als Demonstration der atheistischen Position in dieser Frage (das leichte Spiel, das ein Atheist hier spielen kann). Da sind allerdings zwei Seiten dabei: Einmal ist es ein „Spiel“. Meiner Meinung nach müsste es auch dem Kritiker auffallen, dass sich eine solche Kritik die Sache zu einfach macht. Andererseits ist dieses Spiel für ihn sehr leicht zu spielen, und daran ist nicht er schuld, sondern die Tatsache, dass die Reaktion der Theologen (meiner Meinung nach) so wenig durchschlagend ist.
Die Frage lautet: Wovor musste der Mensch von Jesus überhaupt gerettet werden?
Ein guter Vorschlag, durchaus eine gültige Antwort. Meine eigene Antwort wäre etwas allgemeiner, die Frage, an die ich gedacht habe, lautet: Was ist denn der Inhalt, den wir hier vermitteln wollen?
Diese Vermittler der alten Lehren tun immer so, als sei der irgendwie vorhanden, als hätten sie irgend einen selbstverständlichen Zugang zu den Tatbeständen, die hinter den traditionellen Formulierungen liegen. Ich meine, wenn sie diese wirklich verstanden haben, dann sollte es ihnen auch nicht allzu schwer fallen, sie mit ihrem eigenen, zeitgenössischen Vokabular auszudrücken und dann hätten wir auch keine Schwierigkeiten, sie zu verstehen.
Ihre Frage nach dem „Wovor“ ist genau die Art von Frage, mit der dieses Ringen um das eigene Verständnis beginnen müsste.
Was wäre Ihre Antwort auf das „Wovor“?
Das ist natürlich eine total unfaire Frage. Ein echter Philosoph wirft nur weltbewegende Probleme auf und überlässt die Beantwortung kommenden Generationen. Tatsächlich ist es so, dass das Finden der richtigen Frage die unabdingbare Voraussetzung für eine gute Antwort ist und dass ich damit schon einen hinreichenden Beitrag geleistet habe.
Aber Sie stehen mir zu Recht auf die Zehen, wenn Sie hier Butter bei die Fische einfordern. Für eine Antwort ist die Kommentarspalte hier allerdings ein bisschen zu klein. Was ich allerdings machen werde, ist endlich meinen Basisdiskurs Religion weiter zu treiben; die Antwort wird da leider erst am Schluss stehen.
Denn das Kreuz ist der Schlussstein von allem: Dem Glauben an den einen Gott und den Glauben an das kommende Gottesreich. Ein kleiner Vorgeschmack: Es geht darum, wie wir damit fertig werden, dass uns das richtige Leben irgendwie nie so richtig gelingt.
> Denn das Kreuz ist der Schlussstein von allem: Dem Glauben an den einen Gott und den Glauben an das kommende Gottesreich.
Hoppla!
Wie kommt der Autor zu dieser merkwürdigen Vorstellung?
Das klingt wahrlich ratzingerhaft lyrisch oder künghaft verblasen.
Und das ist dann für einen so anspruchsvollen Blog doch ein bisserl dürftig (find ich).
Oder?
Sorry, im Moment sind meine Prozessoren mit meinem Buch voll ausgelastet, meine Antworten hier können dauern.
Erst mal danke für das Kompliment mit dem anspruchsvollen Blog. Tut gut.
Und das Bild mit dem Schlussstein meine ich ernst, vielleicht ist es aber ein privates Bild, das sich nicht so gut für den Diskurs mit anderen eignet. Er bezeichnet ja dieses Mauerstück, das ganz zuletzt oben in ein gotisches Kreuzgewölbe eingesetzt wird: Alles ist perfekt.
Wenn man Jahrzehnte lang an das Thema hinbosselt und irgendwann einmal beginnt das alles Sinn zu machen, aber da gibt es noch dieses eine Teil, das immer noch lose herumklappert: Und dann kommt der Flash: Aha, so passt das das rein! Gewölbe geschlossen, alles perfekt. Doch, da würde ich nach wie vor „Schlussstein“ dazu sagen.
Ich bin neu hier und hab mir die Mühe gemacht, viel zu lesen in euren Blogs. Aber von der vortrefflichen, altbekannten, aber darum nicht minder gerechtfertigten Kritik an der Christenreligion (mit dem Fazit: „Jesus, Sünde, Erlösung, Kreuz, dieser ganze Zusammenhang kommt in den Giftmüll“, dem ich nur zustimmen kann!) ists dann doch ein gewaltiger (gewaltsamer?) Hupferer zu diesem, wie mir scheint, befremdlichen Fazit.
Wie geht es anderen Bloggern mit diesem Sprung?
Fehlt euch auch ein riesiges argumentatives Mittelstück?
Ja, es fehlt ein riesiges argumentatives Mittelstück. Ich schätze, ca. 5 Posts in meinem Basisdiskurs Religion (Link rechts oben). Wenn ich mit meinem Buch durch bin, kann ich wieder daran gehen. In der Zwischenzeit könnte man ja die bereits enthaltenen Posts zur Predigt Jesu lesen. (Das würde auch den Kommentaren zu diesem Thema ein besseres Unterfutter geben)