Basisdiskurs Religion XXVI >>>mehr
In meinem letzten Post habe ich das Humesche Prinzip erläutert, nach dem aus dem Sein nicht auf das Sollen geschlossen werden kann, also aus Aussagen der Art „so ist es“ auf Aussagen der Art „so soll es sein“. Anschließend habe ich kurz diskutiert, welche Folgen dieses Prinzip für Konfuzianismus und Buddhismus hat und die Probleme angerissen, welche für den Monotheismus daraus entstehen.
Dies ist nun der zweite Teil, in dem ich diese Probleme etwas ausführlicher untersuche.
Allmacht reloaded
In meinem Blog habe ich an vielen Stellen meine Überzeugung dargelegt und verteidigt, dass der Kern des Monotheismus, der Kern des Glaubens an einen einzigen Gott die Allmacht dieses Gottes ist. Ich rekapituliere noch einmal kurz die Gründe:
- Wenn ein Gott als allmächtig gedacht und verehrt wird, verschwinden die anderen Götter, weil sie keine Möglichkeiten mehr haben sich zu manifestieren: Alles, was geschieht, Licht und Finsternis, gehen von diesem einen Gott aus.
- Wenn ein Gott als nicht allmächtig gedacht und verehrt wird, dann gibt es in der Welt Bereiche, die seinem Willen entzogen sind. Zur Zeit der Entstehung des Monotheismus wären aber diese Bereiche nicht leer, nicht „götterfrei“ geblieben. Wenn sich z.B. der eine Gott aus Kriegen fernhält, wird es bald einen Kriegsgott geben, der den Soldaten Beute und Waffenglanz verspricht.
Logisch gesehen, folgt aus diesen beiden Voraussetzungen der Satz, dass ein Gott der Einzige ist genau dann, wenn er allmächtig ist; der Gott des Monotheismus ist identisch mit dem allmächtigen Gott. (Dass er daneben noch andere Eigenschaften haben kann, ist unbenommen).
Moralische Neutralität
Ich bin davon überzeugt, unter anderem aus persönlicher Erfahrung, dass dieses Konzept der Allmacht einen großen spirituellen Stellenwert in sich birgt. (Ich grüble immer noch darüber nach, ob und wie ich ihn in diesem Blog wenigstens andeuten kann; vielleicht ist schon jemand aufgefallen, dass ich schon öfters einen Beitrag „Atmen durch die Augen“ angekündigt habe, dass ich dann aber immer wieder davor zurückgeschreckt bin)
Wie auch immer dieser spirituelle Wert aussieht, er wird zunächst wenig oder nichts mit der Frage zu tun haben, wie ich handeln soll, wie ich im Einzelnen mein Leben führen soll. Überspitzt gesagt, kann sowohl Dschingis Khan als auch Florence Nightingale einen tiefen Glauben an einen einzigen allmächtigen Gott haben, ohne dass dies mit ihrem jeweiligen Lebensstil in Konflikt kommen wird. (Aus dem Gedächtnis zitiere ich einen Brief des Mongolenkhans Batu an Kaiser Friedrich II., in dem er ihn zur Unterwerfung auffordert und mit den Worten schließt: „Aber wenn Du dich nicht unterwirfst, was wird geschehen? Keiner kann es wissen, nur der Himmel weiß es.“)
Judentum
Trotzdem ist es eher selten, dass eine monotheistische Religion verkündet, man dürfe eigentlich alles und jegliche moralische Regel sei völlig egal. Egal deshalb, weil der Glaube an das Sein des allmächtigen Gottes keinen Schluss zulasse auf das Sollen des Menschen. Die älteste monotheistische Religion, das Judentum, weist sogar besonders viele vom Glauben diktierte Verhaltensregeln auf, die berühmten 613 Pflichten, die in der Thora aufgezählt werden. Woher kommen sie? Und wie werden sie begründet?
Begründung
Die Begründung von religiösen Geboten ist in einem monotheistischen Glauben natürlich sehr einfach: Es ist der Wille Gottes, dass wir so und so handeln sollen. Diese Begründung ist allerdings zu einfach, als dass sie uns wirklich weiterhelfen würde. Sie ist anwendbar auf so unterschiedliche Verhaltensweisen wie das Verbot, Schweinefleisch zu essen, die goldene Regel („Was du nicht willst, was man dir tu, das füg auch keinem anderen zu“) und auf heilige Kriege (ja, die hat es gegeben, wenn auch bei weitem nicht in dem Ausmaß, wie das heute gerne verbreitet wird).
Vermutlich würde ein wirklich frommer Jude, Christ oder Muslim sagen, dass das aber alles tatsächlich nur auf die eine Begründung zurückgeht, eben die, dass Gott es will. Allerdings ist man sich im Einzelnen durchaus nicht einig, was denn dieser Gott denn eigentlich von uns verlangt. Das ist ein starker Hinweis darauf, dass das alles eben doch nicht so einfach ist und es sich lohnt, genauer hinzusehen.
Die zehn Gebote
Die zehn Gebote werden allgemein als die eigentliche Grundlage des jüdischen und christlichen Verhaltens angesehen, von besonders eifrigen Verfechtern sogar als die Grundlage jeder moralischen Lebensweise überhaupt. Bei genauem Hinsehen tun sich aber deutliche Probleme auf.
Das erste ist schon die Frage, wie es denn überhaupt zu dieser Zahl Zehn kommt und welche Gebote wie zu zählen sind. Der Wikipedia-Artikel dazu ist sicher einer der ausführlichsten und wissenschaftlich fundiertesten in der ganzen Wikipedia. In diesem Unterabschnitt wird ein Überblick über die unterschiedlichen Einteilungen gegeben, d.h. über die unterschiedlichen Arten, den zuständigen Bibeltext in die Zahl Zehn zu pressen.
Hier erst einmal in Stichworten eine Zusammenstellung der einzelnen Teile, wie sie in der Bibel angegeben sind. Je Bekenntnis werden sie unterschiedlich gruppiert und numeriert und zum Teil auch weggelassen. Ich lasse dabei die Einleitungsfloskel weg („Ich bin Jahwe, dein Gott, der dich aus Ägypten geführt hat, aus dem Sklavenhaus“).
(a) Du sollst neben mir keine anderen Götter haben
(b) Du sollst dir kein Gottesbild machen
(c) Du sollst dich nicht vor anderen Göttern niederwerfen
(d) Du sollst den Namen Gottes nicht missbrauchen
(e) Gedenke des Sabbats
(f) Ehre deinen Vater und deine Mutter
(g) Du sollst nicht morden
(h) Du sollst nicht die Ehe brechen
(i) Du sollst nicht stehlen
(j) Du sollst nicht falsch aussagen
(k) Du sollst nicht nach dem Haus deines Nächsten verlangen
(l) Du sollst nicht nach der Frau deines Nächsten verlangen, nach seinem Sklaven oder seiner Sklavin, seinem Rind oder seinem Esel oder nach irgendetwas, das deinem Nächsten gehört.
Ich übergehe hier die hübsche Formulierung in (l), die die Frau neben Rind und Esel in den Besitz des Mannes einordnet. Allerdings sollte man daran ablesen können, dass diese Gebote zumindest in der biblischen Version so ewig und unwandelbar wohl nicht sind, wie sie manchmal gerne dargestellt werden.
Leitthemen
Diese Liste lässt sich nach drei Leitthemen ordnen.
- Fundamentale religiöse Vorschriften (a) bis (e) : Hängen eng mit dem monotheistischen Glauben zusammen.
- (a) leuchtet ein: Wenn es nur einen Gott gibt, sollte man auch keine anderen „haben“. Was mit „haben“ gemeint ist, wird in (c) genauer erklärt.
- (b) und (d) sind sehr interessant und wären einen eigenen Post wert. Hier nur so viel: Diese beiden Gebote machen den altjüdischen Monotheismus erst zu einer Hochreligion. Dass ein Volk nur einen Gott hat, hat es auch schon zuvor in Ägypten gegeben, als der Pharao Echnaton den Sonnengott Aton als den einzigen durchsetzen wollte. Der Unterschied zum altjüdischen Gott hat mehrere Facetten, ganz handgreiflich wird er, wenn man die Steinreliefs von Echnaton betrachtet : Da streichelt die Sonne, also der Gott, den Pharao und seine Familie mit ihren Strahlen, die am Ende in kleine Händchen auslaufen (übrigens nur den Pharao und nicht das ungewaschene Volk). Der Abstand zwischen einer solchen Vorstellung und der abstrakten, kosmischen bei Deuterojesaias und Hiob ist riesig und entscheidend.
- Auch über (e) müsste man einen eigenen Post schreiben. Dies Gebot geht allerdings schon stark in Richtung Stammesidentität, auf die ich gleich anschließend zu sprechen komme.
- Stammesgesetze (f) bis (j) :
- Dies sind ganz einfach die Grundregeln, ohne die ein Stammesgemeinschaft oder ein Volk überhaupt nicht existieren kann. Wie zu dieser Zeit allgemein üblich, werden sie religiös untermauert und verstärkt, indem man sie zu göttlichen Geboten macht.
- Soziale Utopien (k) und (l) :
- Im Gegensatz zu den Stammesgesetzen sind diese relativ vage: Was heißt schon „verlangen“? Dass man gerne das schöne Haus des Nachbarn hätte, dieser Gedanke lässt sich ja nur schwer verbieten, und genau so wenig, dass man ihm z.B. für einen fairen Preis seinen Esel abkauft. Und dann sein Rind und dann sein Haus … man sieht, in welche Richtung sich das Ganze bewegt. Ich denke, dass dies der etwas hilflose Versuch ist, der Auflösung der alten Stammesgemeinschaft einen Riegel vorzuschieben, die unvermeidliche Aufspaltung in Arm und Reich zu verhindern, die mit dem Heraustreten aus dem alten Nomadenleben unvermeidlich wird.
Das Volk Gottes
Wie steht es nun mit dem Rest der 613 Gebote? Am bekanntesten sind hier sicher die Speisegesetze, z.B. das Verbot von Schweinefleisch oder der Vermischung von Milch und Fleisch. Sie gehören wohl kaum zu einer der drei Leitthemen: Sie sind weder eng mit dem Monotheismus verbunden noch kann man ernstlich behaupten, dass sie zu den unverzichtbaren Grundlagen des Gemeinschaftslebens gehören noch steckt in ihnen eine Sozialutopie.
Sicher kann man bei dem einen oder anderen dieser vielen Gesetze irgendwelche Begründungen finden, so gingen z.B. die Speisegesetze wohl ursprünglich auf gesundheitliche Erfahrungen zurück (Schweine können von Trichinen befallen sein). Aber die massive religiöse Aufladung bis zu dem Punkt, an dem man eben kein gläubiger Jude ist, wenn man eines von ihnen verletzt, lässt sich nicht von ihrem Inhalt her begründen.
Wir und Gott gegen den Rest der Welt
Es geht hier vor allem um den Zusammenhalt des jüdischen Volkes. Fast alle dieser Gebote scheiden die Angehörigen dieses Volkes vom Rest der Welt: Nur wir Juden tun das. Das stärkt vor allem den Zusammenhang in dieser Gemeinschaft, die zugleich Glaubens- und Volksgemeinschaft ist. Die Kraft dieser Bindung hat sich z.B. in der islamischen Expansion gezeigt, als sich dieser neue Glaube nach Mohammed (auch) mit Feuer und Schwer im Nahen Osten und in Nordafrika verbreitete. In den muslimisch beherrschten Ländern bröckelte die christliche Bevölkerung stark ab, während sich die Juden als eigene Religionsgemeinschaft hielten.
Nun sahen sich die alten Juden zu Recht als das eine Volk auf Erden (das auserwählte Volk), das den Glauben an einen einzigen Gott konsequent entwickelt und bewahrt hatte. Es ist also nicht ganz verkehrt, wenn man jede Regel, die den Zusammenhang dieses Volkes gestärkt hat, als Verstärkung ihres Glaubens ansieht und damit als Tribut an den einen Gott, an den sie glauben.
(Fortsetzung folgt)
Der nächste Post des Basisdiskurses trägt den Arbeitsitel „Sein und Sollen III„. Wenn Sie bei seinem Erscheinen benachrichtigt werden wollen, dann holen Sie sich in der rechten Spalte den RSS-Feed oder abonnieren Sie hier den Newsletter.
Da Sie Logik und Wissenschaftstheorie studiert haben:
Die 10 G sind ein logisches Programm. Eine Verhaltenslogik, eine medizinische Logik, „die Beschreibung eines Vorganges im Leben des Menschen“(Wittgenstein).
Am klarsten im Mittelteil der Bergp.
Dort in einer 9-Logik. 1 das erste Lebensjahr, 5 die Pubertät 7-9 die Arbeitswelt usw.
Keine Vorschrift sondern die Verheißung:
Wenn du gesund warst bis zum Tod, dann hast du dich so verhalten,
du hast ein klares Bewusstsein entwickelt, in der Kindheit kein Trauma erfahren(1-3),
du hast in der Schulzeit 4, in der Pubertät 5 bis zur Ehereife 6 Beziehungsfähigkeit gelernt,
und im Beruf 7 niemanden versklavt (Menschenraub siehe 1 Tim 1,10), 8 warst nicht streitsüchtig, neidisch, verlogen und du hast nicht anderen ihren 9 Grundbesitz oder den Sachbesitz (nicht Ehefrau sondern die Angestellte!!) begehrt, weggenommen, abgeworben.
Wie der Tierkreis einen Bezug zum menschl Körper hat, so auch der Dekalog:
Drei Themen für den Kopf und die Vorstellung,
drei Themen für den Brustbereich (Herz und Niere) und die Beziehung,
drei Themen für den Bauch (Leber Lunge Magen siehe TCM) und den Willensbereich.
Es gibt eine Beziehung zwischen den auf die Bergp folgenden Heilungen, den Weherufen, einen Zusammenhang mit den 7 Wochentagen und den Planeten, den sog Hauptsünden (siehe Zorn und töten), den Metallen, dem Lebensbaum der Kabbala usw.
So wird die Reihenfolge in der gesamten Bergpredigt logisch und sinnvoll. Es braucht dann keine holprigen Erklärungen zum Salz oder zum Licht, wenn die Logik sichtbar wird.
Wie im Buddhismus gibt es auch im Judentum keinen Gott, er hat keinen Namen, es gibt kein Bild
das einzige, was angenommen wird: er existiert.