Es passiert mir nicht oft, dass ich beim Lesen über einen bedeutenden Theologen und Mystiker stolpere, über den ich noch nie etwas gehört habe. Ich lasse jetzt mal die schwierige Frage beiseite, ob das an meiner eingeschränkten Lektüre liegt oder an was sonst.
Auf jeden Fall: Hier ist ein Vordenker der christlichen Mystik: Richard von St. Viktor (hier der deutsche Wikipedia-Eintrag, wer sprachlich einigermaßen fit ist, sollte von dort aus den englischen Beitrag aufrufen). Von wegen finsteres Mittelalter, hier ein Zitat zu dem Unterschied zwischen Denken, Betrachtung und meditativer „Anschauung“:
„Damit wir aber das, was über das Anschauen zu sagen ist, leichter erfassen und recht beurteilen, müssen wir zuvor bestimmen, was es sein … Man muss wissen, dass wie einen Gegenstand anders durch das Denken begreifen, anders durch Betrachten erforschen, anders durch Anschauen erfassen …
Das Denken geht über manche Umwege, langsam, abschweifend voran, die Betrachtung versucht gradlinig das Ziel zu erreichen, die Anschauung kreist im freien Flug, wohin sie getragen wird – wundersam beweglich. Sie umkreist alles im Fluge, wird ohne Mühen fruchtbar, richtet sich mit einem Blick auf unzählige Dinge. Durch die mit ihr gewonnene Einsicht wird das Zentrum des Geistes unermesslich gedehnt.“
Die Anschauung kennt 4 Stufen:
„Die erste Stufe ist in der [sinnlichen] Vorstellung … In der Vorstellung befindet sich unser Schauen dann, wenn die Gestalt und das Abbild der sichtbaren Dinge ins Blickfeld treten und wir staunend bemerken, wie zahlreich, groß und verschieden diese körperlichen Dinge sind … Wir suchen nicht nach Beweisen und arbeiten nicht mit der Vernunft, sondern unser Geist zieht frei hier- oder dorthin, wohin ihn das Schauen zieht.
Auf der ersten Stufe schauen wir die Dinge selbst, auf der zweiten ihren Grund, ihren Plan, ihren Zweck … [Auf der dritten Stufe sieht der Mensch die eigentliche Bedeutung der Dinge,] er hört auf, Körperwesen zu sein, beginnt, geistig zu werden. … Große Arbeit ist es jetzt Gewohntes hinter sich zu lassen, tief verwurzelte Ideen aufzugeben … Hier beginnt etwas den Menschen zu lehren, was das Wesen der Dinge ist.
[Auf der vierten Stufe wird jede Vorstellung ausgeschaltet] So schauen wir, wenn wir das Unsichtbare, das wir [zuvor] erkannt haben, in die Anschauung hinein nehmen. Der menschliche Geist schaut, ohne Hilfe der Vorstellung, sich selbst durch sich selbst. Der Geist, der nicht in der Selbsterkenntnis lange geübt ist, wird nicht zur Erkenntnis Gottes kommen“
In seinem Buch Benjamin Minor fügt er noch weitere Stufen an, die auf der christlichen Offenbarung aufbauen.
Heute mal so weit, jemand scharrt hinter mir mit den Hufen, dass wir ins Konzert müssen. Ja, ja, die Dinge.
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