Jun 242013
 

Basisdiskurs Religion (P2) >>>mehr

Nach langem Grübeln (und einer kleinen Grippe) nunmehr der zweite Teil der Propädeutik für den Basisdiskurs Religion. Ich hoffe, dass mir nicht mehr viele noch grundlegendere Gedanken einfallen werden, weil mir dann allmählich die Steigerungen ausgehen. Was könnte ich dann noch vor eine „Propädeutik“ schalten? Vielleicht eine „Fundamentalorientierung“? Hoffentlich kommt es nicht so weit …

Zauber des Glaubens

Meiner Tageszeitung vom Wochenende war die erste und vorläufig auch die letzte Ausgabe eines katholischen Magazins namens CREDO beigefügt. Finanziert wurde es durch nicht näher identifizierte „Großsponsoren“ in Zusammenarbeit mit dem Osservatore Romano, herausgegeben wird es durch den bekannten Papstinterviewer Peter Seewald („Salz der Erde“) und den Eichstätter Bischof Hanke. Ich übergehe viele Einzelheiten (hüstel) und gehe nur auf einen zentralen Beitrag ein, der sich ausdrücklich an Nichtgläubige wendet: „Wie geht eigentlich katholisch? “ Mit dem Untertitel: „Wie erklärt man Atheisten den Zauber des Glaubens? Ein Mann und eine Frau versuchen es.“

Der Mann und die Frau, das sind Bischof Hanke (nicht sehr überraschend) und Julia Kleinheinz, 27, Teilnehmerin einer Jugendorganisation, die in Folge der Weltjugendtage von Johannes Paul II. angestoßen wurde.

Die Sinne und der Sinn

Die Beiträge dieser jungen Frau waren wesentlich origineller als die des Bischofs und wurden durch eingefügte Zeichnungen gespiegelt und hervorgehoben. Den „Zauber des Katholischen“ kann man nach ihr „mit allen Sinnen erfahren“. Illustriert wurde dies durch das Bild einer Orgel (hören), einer Marienstatue sowie einer Monstranz (sehen), einer Hostie über dem Meßkelch (schmecken), einem Weihrauchfass (riechen) und einem Rosenkranz (fühlen), alles übrigens in genau dieser Reihenfolge.

Sinnlicher Glaube
Zuerst möchte ich ausdrücklich betonen, dass ich überhaupt nichts gegen sinnliche Elemente des Glaubenslebens habe. Mir fehlt zum Beispiel durchaus der Weihrauch in der Kirche. Das kommt wohl von irgend einem unausrottbar katholischen Wesenskern in mir (vielleicht in Kombination mit jener erdverbundenen Sinneslust, die uns Bayern gerne nachgesagt wird). Was mir aber unverständlich bleibt, ist die Blindheit, mit der hier der Sinn des Ganzen ignoriert wird: Das Christentum, das Fundament jeder christlichen Konfession einschließlich der katholischen.

Philosophie und Poesie

Wenn ich diese bebilderte Aufzählung vergleiche etwa mit meinen ziemlich trockenen Ausführungen zu chaotischen und stochastischen Systemen, so möchte ich diese beiden Beispiele als extreme Repräsentanten von einmal der Poesie und einmal der Philosophie des Glaubens heranziehen. Beide sind sicher auf ihre Art wertvoll, aber auf jeweils andere Art auch bedenklich. Wie würden sich diese Extreme gegenseitig kritisieren?

Was würde Kleinheinz zu Djebe sagen? Vermutlich etwas in dem Sinne, dass das alles vielleicht recht interessant sei (für den, den so etwas interessiert), aber nichts mit einem Leben im Glauben zu tun hätte. Vielleicht auch, dass auf diese Art der Glaube entkernt wird zu einem intellektuellen Glasperlenspiel. Mit anderen Worten: Die Poesie kritisiert an der Philosophie keine Einzelheiten, die interessieren sie auch nicht. Sie kritisiert das Unternehmen als Ganzes, als ein dem eigentlichen Wesen des Glaubens fremdes Unterfangen.

Djebe würde dagegen Kleinheinz nicht im Ganzen kritisieren, sondern in den Einzel­heiten. Kein Glaubensphilosoph, der noch bei Sinnen ist, würde abstreiten, dass die Poesie eine unverzichtbare Rolle spielt, die Innigkeit eines Gebets, das sursum corda, das „erhebet die Herzen“ entspringt nicht seinen wissenschaftlichen Überlegungen, sonden kommt aus einer anderen Quelle (dazu allerdings später mehr).

Was Djebe allerdings zu der obigen Aufzählung sagen würde, ist dies: Eine Reihenfolge, eine Stufung der einzelnen Elemente ist nicht zu erkennen, es ist kein Instinkt spürbar, welches davon eher in das Zentrum des Glaubens gehört und welches davon eine hübsche Zutat ist. Tatsächlich fehlen die Grundelemente des Christentums; ein Kruzifixus ist sicher optisch ebenso präsent wie eine Marienstatue, hier fehlt er. Stattdessen wird Jesus in einer Monstranz verehrt, die eine Hostie zur Schau stellt und diese damit aus ihrem eigentlichen Zusammenhang des Abendmahls herausbricht (Hier spare ich mir ungefähr zehn Rufezeichen).

In Schlagworten

Die Poesie sagt zur Philosophie: „Ihr tut nicht das, was getan werden muss.“

Die Philosphie sagt zur Poesie: „Ihr wisst nicht, was Ihr Falsches tut.“

Wie geht es weiter?

P.S.

Das hier angeführte Beispiel ist spezifisch katholisch. Vom Stil her verschiedene, aber in ihrer Blindheit gleiche Beispiele auf evangelischer Seite lassen sich massenhaft auf Youtube bestaunen.

Der nächste Post des Basisdiskurses trägt den Arbeitstitel „Leitern und Stege“. Wenn Sie bei seinem Erscheinen benachrichtigt werden wollen, dann holen Sie sich in der rechten Spalte den RSS-Feed oder abonnieren Sie hier den Newsletter.

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  One Response to “Philosphie und Poesie: Ein Streitgespräch”

  1. Bis ich das PS gelesen hab, hatte ich so das Bild vor Augen, hier stehen Katholizismus und Protestantismus gegeneinander. Dort die ganzen „Bilder“ und sonstige Medien, die unsereins vor Jahrhunderten aus der Kirche geschmissen hat (abgesehen von den Lutheranern, aber das sind ja Kryptokatholiken ;)) und hier die ganze „aufs Wort“ reduzierte Kopflastigkeit, die die Sinne des Menschen vertrpcknen läßt. Oder lassen kann. Wir wissen ja beide, daß es da auch (nicht nur bei lutherischen Hochkirchlern) Gegenbewegungen gibt. Aber es stimmt schon: Wenn nichts a ist, was besungen oder durch Gedichte gelobt werden kann, dann braucht es auch keine Poesie.

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