Sep 262013
 

Es ist alles gar nicht so einfach, bis es einfach wird. Aber ich bin guter Dinge, dass ich jetzt den Grund des Brunnens erreicht habe. Nur das kleine Problem, wie ich das Wasser dort ans Tageslicht bringen, sprich, irgend jemandem außer mir verständlich machen soll, habe ich noch nicht ganz gelöst.

Ach ja, ich rede natürlich von meinem Buch. Immerhin schaffe ich es jetzt schon, Teil II meines unter den Tisch gefallenen Schnipsels hier zu veröffentlichen. Das heißt hoffentlich, dass ich demnächst zu den Lebenden zurückkehre.

Also, hier ist er:

Pneuma

Und das wäre sicher ein gutes Schlusswort für diesen Teil. Sie wollten aber noch etwas zum Thema Heiliger Geist sagen.

Nein, den habe ich nicht vergessen, der passt genau hier rein. Denn sagen wir, Sie steigen über diesen Zugang Jesus, über das Kreuz als Symbol Ihres eigenen Scheiterns ein in das große Projekt Himmelreich. Bitte machen Sie kein so entsetztes Gesicht, ich rede ja nur von der theoretischen Möglichkeit.

Also, Ihnen leuchtet dieses Projekt ein und Sie wollen aussteigen aus all den großen und kleinen Maschinen, die Ihr Handeln bestimmen. Wie machen Sie das?

Sagen Sie es mir.

Genau das ist das Problem. Wenn ich Ihnen jetzt eine Liste in die Hand drücke mit erstens, zweitens, drittens, dann will ich Sie ja wieder nur in eine neue Maschine ein­fädeln, diesmal meine eigene. Dann halte ich Ihnen wieder ein Stöckchen hin, über das Sie mehr oder weniger elegant drüberspringen müssen und dann gibt es Noten, wie gut Sie das geschafft haben. Und genau das haben Sie ja mit dem Kreuz Jesu ein für allemal abgelegt.

Sieht so aus, als hätten Sie sich damit selbst in eine Klemme navigiert.

Nun, denken Sie an die Bergpredigt. Jesus gibt dort den großen Rahmen: Macht es nicht so wie alle, sondern seid vollkommen wie euer Vater im Himmel, der Regen und Sonne über alle schickt, Sie erinnern sich. Und dann gibt er dazu ein paar extreme Beispiele, die die Zuhörer auf die richtige Spur bringen sollen.

Das Leben auf dieser Spur, das ist keine fertig festgelegte Liste von Geboten und Verboten. Paulus sagt dazu ganz klar: Der Buchstabe des Gesetzes tötet. Und er fügt hinzu: Der Geist macht lebendig. Und dieser Geist auf der Spur der Bergpredigt, das ist der Heilige Geist, Pneuma, wie es im Griechischen heißt.

So eine Art Flow?

Das Loslassen eines Schielens nach Erfolg, frei sein von Sorge und Angst um sich selbst oder das eigene Ansehen, Körper und Geist arbeiten mühelos und harmonisch zu­sammen, ein Zustand, in dem Sie konzentriert sind, aber wissen, dass die Situation in ihrer Gesamtheit unvorhersehbar und unberechenbar ist?

Ja, ich glaube, das ist es.

Nicht ganz, aber fast. Lukas schreibt zum Beispiel in seinem Evangelium, dass sich die Gläubigen sich nicht den Kopf über ihre Aussagen zerbrechen sollen, wenn man sie vor Gericht schleift: Der Heilige Geist wird ihnen vor Ort eingeben, was sie sagen sollen.

Das hört sich zwar gut an, aber wie schaffe ich es, in diesen Flow zu kommen?

Sie schaffen gar nichts. Sie bekommen etwas geschenkt – oder nicht. Paulus spricht sehr klar von den Gaben des Geistes. Es sind im Wesentlichen Glaube, Hoffnung und Liebe. Das ist mein Kern.

Glaube: Das Kreuz.

Hoffnung: Die Auferstehung.

Liebe: Das Leben nach der Bergpredigt und ein Stück darüber hinaus.

Sie müssen sich darauf einlassen. Einstieg ist meist der Glaube, die tiefe Befreiung von allem Müssen, der Nullpunkt, von dem aus alles möglich wird.

Finden Sie nicht, dass sich das alles ein bisschen esoterisch anhört?

Nicht wirklich, vielleicht kommen wir gleich darauf.

Noch einmal: Die Liebe

Aber zuvor noch kurz zu diesem „ein Stück darüber hinaus“, von dem ich gesprochen habe.

Offen gestanden, finde ich die Bergpredigt schon extrem genug. Ich weiß nicht, wie sinnvoll es ist, noch einmal darüber hinaus zu gehen.

Nein, ich spreche eher von einem neuen Zugang zu dem, was damit gemeint ist. Matthäus beschreibt in seinem Evangelium, wie Jesus am Ende der Zeiten zurückkommt, das Himmelreich eröffnet und die über Menschen danach beurteilt, ob ihr Leben diesem Reich entsprochen hat oder nicht.

Sie erinnern sich an die Geschichte mit dem Samariter: Entscheidend ist die Über­windung der Grenzen zwischen den Menschen. Nun gibt Jesus eine neue Begründung dafür: Er zählt die Situationen auf, in denen jemand im Elend isoliert ist, hinter den Schranken, die ihn vom Rest der Welt trennen: Hunger, Gefängnis, Krankheit.

Die einen haben diese Schranken ignoriert und geholfen: Den Hungernden gespeist, den Gefangenen besucht und so weiter. Sie gehen ins Himmelreich ein, in die Welt ohne Grenzen. Die anderen haben die Schranken zwischen den Menschen verstärkt oder eigentlich mit geschaffen, indem sie die Unglücklichen hinter diesen Schranken ausgeblendet haben.

Und für die, nehme ich an, wird es ziemlich unangehm.

Ja, sie werden mit einbezogen in das Feuer, das die alte, schlechte Welt vernichtet. Entscheidend ist aber die Begründung: In all diesen elenden Menschen war Jesus selbst präsent, die einen haben ihm zu essen gegeben, die anderen haben ihn hungern lassen.

Verstehen Sie? Wenn Sie Jesus als Archetyp der Menschen verstanden haben, wenn Sie wissen, dass alle vereint sind in einem gemeinsamen Projekt und einem gemeinsamen Schicksal des Scheiterns und des verborgenen Sieges, dann werden Sie die Schranken zwischen ihnen verstehen, als was sie sind: Als falsche Konstruktionen, die Sie daran hindern, Ihr Schicksal zu verwirklichen.

Klingt immer noch esoterisch?

Offen gestanden, ja.

Schaddai

Dann denken Sie zurück, an den Anfang des Interviews. Sieht es nicht so aus, als ob wir unterwegs etwas verloren hätten? Den Gott Hiobs vielleicht?

Es könnte sein. Zumindest scheint er mir hier nirgends vorzukommen. Und ist nicht Gott jetzt für die Christen ein guter Gott? Ein Vater, der die Menschen liebt?

Exakt. Wie geht das zusammen? Auf der einen Seite der Achsengott, der Allmächtige, der Hiob ins Unglück stürzt und auf der anderen Seite der Vater im Himmel, wie es im Gebet heißt?

Ich denke, gar nicht. Ist das nicht das alte Dilemma? All die Krankheiten, Kriege, Tsunamis in den Welt, wie kann Gott da gleichzeitig gut und allmächtig sein?

Richtig. Sehen wir uns die beiden Seiten des Dilemmas an. Die ältere Seite, die des Achsengottes, ist die Grundlage von allem. Im Buch Hiob wird dieser Gott mit einem merkwürdigen Namen bezeichnet, der ansonsten in der Bibel so gut wie gar nicht vorkommt: Schaddai.

Es gibt unterschiedliche Theorien, woher dieser Name stammt. In späteren Zeiten hat er sich im Geiste der Menschen mit dem hebräischen Wort „schaddad“ verbunden, was zerstören bedeutet. Deshalb haben die jüdischen Übersetzer des Alten Testaments ihn ins Griechische übersetzt mit „Pantokrator“, was Allherrscher heißt, der, dessen Macht keine Schranken kennt.

Aber wenn Sie an diesem Achsengott festhalten, dann müssen Sie den guten Gott wegwerfen.

Damit wären wir bei der anderen Seite des Dilemmas. Aber es wäre vielleicht hilf­reich, wenn wir uns ansehen, was dazu wirklich in der Bibel steht.

Paulus sagt, dass sich die Liebe Gottes zur Welt darin zeigt, dass er Jesus in diese Welt geschickt hat.

Das ist alles? Und deswegen müssen wir uns zufrieden geben mit all dem Leiden in der Welt?

Was würden Sie vorschlagen?

Nun ja, die Welt ist so, wie sie ist. Aber dann brauche ich keinen Gott dazu, der daran auch nichts ändert.

Sehr gut, werfen Sie ihn weg, unbedingt. Und, was haben Sie jetzt?

Eine Welt, die einfach so ist, wie sie ist.

Nein, das haben Sie eben nicht. Sie haben eine Welt, die Sie durch eine Brille aus Ihren Erwartungen, aus Ihren Denkmustern betrachten. Ob Sie es akzeptieren oder nicht, sie brauchen dieses Realitätsprinzip namens Schaddai, das Ihnen die Brille von den Augen reißt.

Ich weiß, dass ist Ihre Botschaft.

Gut, dann machen wir weiter. In dieser Welt, die so ist, wie sie ist, sind auch die Menschen so, wie sie sind, gefangen in ihren Handlungsmustern, in den großen und kleinen Maschinen. Und, ich muss es sagen, verdammt zu einem ziemlich suboptimalen Leben in diesen Maschinen. Und in dieser Welt entsteht plötzlich das große Projekt, zsuammen mit dem Archetyp, der es entworfen hat und mit seinem eigenen Schicksal in die Höhen und Tiefen des menschlichen Lebens eingebettet hat.

Deshalb, genau deshalb, ist die eure Realität auch Vater und Mutter zu euch.

Und was ist mit all dem Übel in der Welt?

Mit Kriegen, Krankheiten und Tsumanis? Auch dazu gibt Paulus eine sehr direkte Antwort. Er sagt, dass die ganze Welt dem Tod unterworfen ist, der Vergänglichkeit, unter der Macht dessen, der Herr über sie ist, also des Pantokrators. Er fügt aber hinzu, dass die Hoffnung der Menschen auf den letztlichen Sieg auch für die ganze Schöpfung, für die ganze Welt gilt.

Die Sandflöhe und Gänseblümchen kommen auch ins Himmelreich?

Nett gesagt, aber das geht euch viel näher an als die Sandflöhe. Die Welt um euch herum hat zwei Aspekte. Beide versuchen, euch etwas ungeheuer Wichtiges bei­zu­bringen.

Einer davon ist der Aspekt des Todes. Ihr könnt ihn entweder verfluchen oder euch darunter ducken oder von ihm lernen, was Hiob gelernt hat: Die Welt ist, wie sie ist. Und wenn ihr das wirklich versteht, gewinnt ihr eure beste Stärke.

Der andere ist der Aspekt des Hoffnung. Jesus spricht ihn an, wenn er euch auffordert, euch die Vögel des Himmels und die Lilien auf dem Felde zum Beispiel zu nehmen. Sie leben das direkte Leben jenseits der Verhaltensmuster, der Maschinen, die euer Leben steuern und stehlen. In ihrem Leben könnt ihr ein Bild dessen erahnen, was das Innere des Himmelreichs ausmacht.

Das wärs eigentlich. Noch einmal meine ganze Lehre in vier Sätzen?

Wenn das geht, unbedingt.

Die Welt hat nichts zu tun mit dem, was ihr von ihr denkt. Sie ist das Andere und deshalb braucht sie Gott, dieses Gesicht, mit dem sie euch ansieht, damit ihr es versteht.

Das Leben ist nicht so, wie ihr handelt. Ihr habt euch verstrickt in eure eigenen Labyrinthe und und deshalb braucht ihr Jesus, der euch an euer gemeinsames Schicksal als Menschen erinnert und den Geist, der euch wieder die Vollkommenheit lehrt, die Übereinstimmung mit der Welt.

Das hat sich nach einem Schlusswort angehört.

Ja, tiefer kann ich in einem solchen Interview nicht gehen.

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