Jan 142012
 

Irgend wann einmal kommt der Moment im Leben, wo man allmählich vorsichtig umgeht mit Aussagen der Art: „Ich kann mich noch genau erinnern, wie …“. Eine solche Aussage kann einem jahrelange Anstrengungen versauen, Jugend und Dynamik auszustrahlen, vor allem, wenn jemand in Wikipedia nachsieht, wie ewig lange das her ist.

Aber manchmal muss es eben sein. Also: Ich kann mich noch genau erinnern, welche Schwierigkeiten John F. Kennedy in seinem Wahlkampf hatte, weil er Katholik war. Immer wieder wurde er darauf angesprochen, ob er nicht verpflichtet sei, dem Papst zu gehorchen, so dass dann letztlich der Vatikan die USA regieren würde.

Evangelikale und Katholiken

Speerspitze der Ablehnung alles Katholischen durch die protestantische Mehrheit waren natürlich die Evangelikalen – und sie sind es manchmal immer noch. Den bizarrsten Ausdruck finden diese Vorurteile in den Cartoons von Jack Chick. Ein Besuch auf seiner Website lohnt sich immer. Dort werden seine Traktate angepriesen, alle in Form von Cartoons, die wirklich unglaublich sind. So weit ich sehen kann, sind sie inzwischen ein bisschen entschärft. Der Trakt über die Katholiken  z.B. hat früher damit geendet, dass ein romgläubiger Christ nach seinem Tod schreiend in den höllischen Feuersee geworfen wurde. Ungefähr so:

Rick Santorum

Umso erstaunlicher ist die augenblickliche Situation im Vorwahlkampf um den republikanischen Kandidaten für die Präsidentschaft. Die mächtige Fraktion der evangelikalen Christen hat sich ziemlich geschlossen hinter Rick Santorum gestellt, einen gläubigen, oder vielmehr sehr gläubigen Katholiken und ihm in Iowa beinahe zum Sieg verholfen.

Diese Einigkeit wurde auch „Ökumene des Schützengrabens“ genannt. Es handelt sich dabei um das große „Dagegen“: Gegen Homoehe, gegen Abtreibung, gegen öffentliche Schulen, gegen die Evolutionstheorie, gegen Obama. Dieses absolut unproduktive Nein ist mächtig genug, um das zu überbrücken, was noch vor mehreren Jahren ein unüberwindlicher Graben zwischen den Konfessionen war (die klassische Frage des Straßenmissionars: „Are you a Christian or a Catholic?“)

Verlust des Trennenden, Verlust des Inhalts

Vielleicht zeigt sich aber in dieser Abschwächung der Feindschaft auch eine Abschwächung des Inhalts überhaupt. Santorum hat, was Rhetorik und öffentliche Selbstdarstellung anbelangt, viel von den Evangelikalen übernommen. Und bei denen erodiert die Grundlage ihrer Weltanschauung, der ständige, wenn auch ziemlich willkürliche, Rückgriff auf die Bibel. Seit mehreren Jahren zeigen Studien eine Abnahme der Bibelkenntnis sogar unter den evangelikalen Theologiestudenten. Die eigentliche Konstante, die eigentliche Gruppenidentität liegt dann wohl zunehmend in einer politisch und gesellschaftlich reaktionären Haltung, die Santorum aufs Beste bedient (ähnlich wie bei der Beschwörung des christlichen Abendlandes durch die CDU/CSU, das sich in ihrer Politik so gut wie ausschließlich in Zuzugsbeschränkungen niederschlägt).

Diese meine Theorie ist eine nette Theorie und vielleicht sogar wahr. Es gibt aber auch gegenläufige Anzeichen. So gewinnt Santorum vielleicht die Evangelikalen, verliert aber bei der Annäherung an diese Gruppe im Moment die Katholiken. Die Unterstützung unter den Evangelikalen (23%) ist drei Mal so hoch wie bei den Katholiken (8%). Mal sehen, wie es weiter geht.

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