Die Welt hat jetzt längere Zeit nichts mehr von mir gehört. Ich kann mich der Möglichkeit nicht verschließen, dass dies der Grund für die katastrophale Siedlungspolitik Israels, für den Stillstand der Klimagespräche in Dohar und für eine Reihe anderer negativer Entwicklungen in der Welt sein könnte.
Mein Pflichtbewusstsein zwingt mich also, allmählich wieder einen Beitrag zu bringen. Zuerst möchte ich erklären, dass der Hauptgrund für mein langes Schweigen der ist, dass ich ein neues Buch begonnen habe und heftig am Kämpfen war mit Stil und Format. Davon vielleicht später mehr. Das ist auch der Grund, warum meine nächsten Posts eher anekdotischer Natur sein werden, also Kostproben aus dem Schatzkästlein meiner Jahrzehnte langen Lektüre von diesem und jenem.
Heute möchte ich einen Beitrag bringen zur Person des Kaisers Konstantin und seines Engagements in Sachen Christentum.
Der Allzweckschurke
Spätestens seit Dan Browns gräßlichem Da Vinci Code steht die Rolle dieses Kaisers in Sachen Religion fest: Ein Fiesling, der all die vielen bis dahin existierenden Evangelien verbrennen ließ und dafür die jetzige Form erfand und mit Gewalt durchdrückte. Diesen horrenden Blödsinn übergehe ich hier.
Als nächste konstantinische Schurkerei gilt nach diesen Quellen das Konzil von Nizäa. Dort soll er aus irgendwelchen finsteren Gründen die Gottheit Christi aufs Tapet gebracht und durchgepeitscht haben.
Arius
Was dahinter steht, ist die Kontroverse, die der Presbyter Arius aus Alexandria ausgelöst hatte. Falls Interesse dafür besteht, werde ich im nächsten Post darüber berichten. (Da ich nach meinem langen Schweigen kaum Kommentare zu diesem Thema einfordern kann, werde ich es als „Interesse“ werten, wenn niemand lautstark protestiert.) Kurz gesagt, ging es um die Frage, ob Jesus an Gott teilhat oder ob er ein Geschöpf Gottes ist, zwar das erste und über alle erhabene Geschöpf, durch das alle anderen erschaffen wurden, aber eben doch ein Geschöpf. Diese Kontroverse ergriff weite Kreise und konnte erst durch das Konzil von Nicäa gelöst werden, wo die „Arianer“ zur Unterwerfung gezwungen wurden.
Konstantin war diese Auseinandersetzung überhaupt nicht recht. Als Kaiser, der das Christentum als bevorzugte Religion eingesetzt hatte, erwartete er eine systemstabilisierende Wirkung dieser Religion und keinen Riesenkrach zwischen seinen Anhängern gleich zu Beginn. Und aufgrund seiner persönlichen, wenn auch etwas eigenwilligen Frömmigkeit erhoffte er von einem harmonischen imperiumsweiten Gottesdienst Segen und Heil für seine Herrrschaft und für das römische Reich. Diese Einstellung zeigte sich auch in einem Brief, den er an die beiden Hauptkontrahenten des Disputs richtete, an Arius und an seinen Gegenspieler, Bischof Alexandros von Alexandria (der hieß wirklich so):
Der Brief
„Gott ist mein Zeuge, er, offenkundiger Helfer bei meinem Werk, der Erlöser des Alls …(Ich) wollte die religiöse Einstellung aller Völker zu einer einheitlichen Haltung verschmelzen …
Aber, du herrliche, göttliche Vorsehung, wie schmerzt er mein Ohr und noch mehr mein Herz, hören zu müssen, dass bei euch … die Spaltung noch tiefer geht als in Afrika (wo der sogenannte Donatistenstreit die Kirche spaltete edj) … Ale ich mir Anlass und Gegenstand der Spaltung durch den Kopf gehen ließ, da stellte sich heraus, dass der Vorwand unwichtig und eines solchen Streites nicht würdig ist. … Könnte es schon bei einer wichtigen Streitsache mit Gottes Hilfe nicht allzu schwer sein … zu erreichen, dass sich jeder zum Besseren kehrt, wie sollte es bei dieser Sache, wo es sich um einen geringfügigen und allzu billigen Anlass handelt, nicht noch leichter fallen, die Angelegenheit wieder in Ordnung zu bringen.
Der Konflikt, so wird berichtet, ist folgendermaßen entstanden. Du, Alexander, hast die Presbyter befragt, was ein jeder von ihnen über eine bestimmte Stelle in der Heiligen Schrift denke, besser gesagt, über ein unwichtiges Detail einer Frage. Du aber, Areios, hast etwas, ws man von allem Anfang an gar nicht denken sollte oder, wenn gedacht, verschweigen sollte, unüberlegt dagegengehalten. So entstand der Zwist, die Gemeinsamkeiten wurden geleugnet, das heilige Volk in Parteien zerrissen und vom gemeinsamen, einigen Leib getrennt. Jeder von Euch soll dem anderen verzeihen und den wohlüberlegten Rat eures Mitdieners (d.h. Konstantin edj) annehmen.
Was denn? Es wäre doch besser gewesen, von allem Anfang an keine solchen Fragen zu stellen und dem Frager keine Antwort zu geben. Solche Fragen schreibt kein Gesetz dringend vor, nur müßige Streitsucht macht sie ausfindig. Und stellt man solche Fragen der philosophischen Übung wegen, dann soll man sich privat damit beschäftigen und sie nicht in öffentliche Versammlungen tragen und bedenkenlos dem Volk zu Gehör bringen. Wer ist denn groß genug, dass er in der Lage wäre, das ganze Gewicht dieser erhabenen und außerordentlich schwierigen Dinge richtig zu erfassen und würdig darzustellen? Und selbst wenn sich einer fände, der dazu imstande wäre, wie viele im Volk würden es sein, die er damit überzeugen könnte?
So war denn die Frage unbedacht und die Antwort voreilig. Beide Teile sollten sich gegenseitig verzeihen. Es ging ja nicht um eine grundlegende Botschaft der Schrift in diesem Streit, es sollte ja auch keine neue Lehre über die Gottesverehrung eingeführt werden. Ihr seid ja doch ein und desselben Sinns, so dass ein Friedensschluss nicht unmöglich ist. Wenn ihr euch aber schon um Geringfügigkeiten streiten müsst, so muß doch wohl jeder von der Überzeugung ausgehen, dass es sich weder ziemt noch erlaubt sein darf, das Volk Gottes, das zu lenken ihr bestimmt seid, mit in den Zwiespalt zu verstricken.
Ihr wisst doch, dass selbst die Philosophen aus ein und derselben Schule in dem einen oder anderen Fall verschiedene Auffassungen vertreten. Aber wenn sie auch in der Einzelbeurteilung einer wissenschaftlichen Frage getrennte Wege gehen, in den grundlegenden Lehrsätzen bleiben sie einer Meinung. … Lasst uns doch gründlich darüber nachdenken und überlegen, ob es richtig ist, wenn wegen geringfügiger und nichtiger Fragen, die euch bewegen, Bruder gegen Bruder steht und durch euren kleinlichen und unnützen Streit die ehrwürdige Gemeinde schändlich auseinander gerissen wird. …
Ich seid doch alle eines Glaubens und einig im Verständnis der Lehre und die Botschaft der Heiligen Schrift setzt in all ihren Teilen die gleiche Geschlossenheit voraus. Das also, was bei euch einen unbedeutenden Streit auslöste, darf, da es sich um keine Grundwahrheit handelt, auch keine Spaltung und keinen Umsturz hervorrufen. Ich sage dies nicht, alls wollte ich euch zwingen, in jedem Fall und in jeder Kleinigkeit – denn darum handelt es sich hier – einer Meinung zu sein. Unsere ehrwürdige Gemeinschaft kann unverletzt bestehen bleiben, die Einheit kann unverletzt bewahrt bleiben, auch wenn es da und dort verschiedene Anschauungen gibt. Nicht jeder von uns denkt immer gleich wie der andere, Naturell und Einstellung sind verschieden. Aber was Gottes Vorsehung angeht habt ihr denselben Glauben, dasselbe Verständnis und ein und denselben Gottesbegriff. Was ihr aber im Detail untereinander erörtert, das soll ein jeder bei sich behalten, auch wenn eine Übereinkunft nicht erzielt werden kann.
Gebt mir ruhige Tage und Nächte ohne Sorge zurück, damit auch ich in die Lage komme, mich des reinen Lichts und eines friedlichen Lebens zu erfreuen. … Ermöglicht es euch und allen Völkern … den gebührenden Dank für die volle Einmündigkeit und Freiheit dem Höchsten in gemeinsamem Lobpreis auszusprechen.“
Na?
Die Hauptsorge Konstantins – die unbedingte Einheit des Kultes – und sein Desinteresse an grundlegenden Fragen der Theologie schimmert hier deutlich durch. Arius hatte seine Theorie nicht aus philosophischer Streitsucht so hoch gehängt, sondern weil es für ihn um ein ernstes und fundamentales Problem des Gottesbegriffs ging. Konstantin hatte für so etwas absolut keine Sensibilität.
Trotzdem kann man sich fragen, ob seine Sicht auf die Dinge nicht ihre gute Berechtigung hatte. Ein bisschen weniger Streitsucht, ein bisschen mehr Tendenz dazu, unterschiedliche Meinungen zurückzustellen und die Einheit als höherwertiges Gut zu betrachten, hätte der Kirchengeschichte oft sehr gut getan.
Und insbesondere passt dieser Brief überhaupt nicht zu der inzwischen populären Vorstellung von Konstantin als totalitärem Manipulator des Christentums. Für ihn war die Sache trotz allem eine Herzensangelegenheit. Und der maßvolle Ton, mit dem er sich auf Augenhöhe zu den Streithähnen begibt und ihnen gut zuredet, ist auch heutzutage nicht leicht zu finden.
Ein neues Buch? Ich fürchte, es wird besser und logischer und moralisch hochstehender sein als das, was ich für erfolgreich halten würde: Eine kommentierte Sammlung von Schwachsinn, wie zum Beispiel diese – was wars nochmal? – Rechts-links-Verwechslung bezüglich Christi Blick im Buch von Harpe Kerkeling. Leute lesen gerne was, wo andere zerlegt werden. Und damit könnte man den Boden bereiten für einen etwas fundierteren Umgang mit der christilichen Tradition.
Soweit meine satanischen und sehr wahrscheinlich vergeblichen Einflüsterungen.