Ich habe mich entschlossen, in meinen Blog eine neue Kategorie aufzunehmen, die der „Gottesfrage“. Bei diesem Stichwort ist mir etwas unbehaglich, weil es so stark innerchristlich ist, umweht von einem leisen Geruch nach Weihrauch oder nach den Bücherreihen im Lesesaal einer theologischen Fakultät. Trotzdem scheint es mir von allen einzelnen Stichworten das zu sein, das am treffendsten die Defizite des heutigen Christentums markiert: Wie steht es um seinen zentralen Begriff, also „Gott“, noch dazu den dreifaltigen?
Dreifaltigkeit ist ein tiefes Problem
Zunächst einmal eine Tatsache, auf die ich in diesem Blog wohl noch öfter hinweisen werde. Bei dem dreifaltigen Gott handelt es sich um kein Arbeitsbeschaffungsprogramm für Theologen, keine unverständliche Streiterei längst vergessener Radaubrüder, sondern um ein zentrales Problem der christlichen Lehre. Von Anfang an haben die Christen darauf bestanden, dass sie erstens den Monotheismus predigen, also den unbedingten Begriff des einen und einzigen Gottes und dass sie zweitens die Neulinge in ihrem Glauben taufen im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes. Wir nehmen das als Gewohnheit hin, weil wir keinen Zugang mehr zum Kern des Monotheismus haben, nach dem es nur ein Zentrum, eine spirituelle Bewegung, ein spirituelles Prinzip gibt, das des einen Gottes. Wenn also am Beginn dieses Glaubens das Bekenntnis zu drei unterschiedlichen Entitäten steht, müssen diese irgendwie in diesen einen Gott integriert werden, ohne diese Einheit zu beschädigen.
Ketzereien zu Weihnachten
Und das hat die christliche Lehre bis heute nicht geschafft oder, falls sie es geschafft hat, ist diese Lösung heute verloren gegangen. Das zeigt sich alle Jahre wieder, wenn zu Weihnachten das Christuskind kommt und allenthalben die Prediger versuchen, ihm seinen Platz zuzuweisen. Immer wieder kommen sie dabei auf Formulierungen, die unmittelbar der monarchianischen Häresie zu entstammen scheinen. Dies war eine Bewegung der ersten Jahrhunderte, nach der Gott und Jesus dieselbe Entität waren. Gott hatte sich einfach kraft seiner Allmacht in einen Menschen verwandelt (und nachher wieder zurück). Alles sehr ketzerisch, verworfen von den Konzilien usw. Zu Weihnachten feiert aber diese Sicht frohe Urständ. So der Erzbischof Becker von Paderborn: „Der Unsterbliche ist sterblich geworden, der Allmächtige ohnmächtig, der Unsichtbare sichtbar, der Ewige zeitlich, der Schöpfer zum Geschöpf.“
Mit dieser letzten Teilaussage schafft es der Prediger noch dazu in eine ganz entgegengesetzte Ketzerei, die des Arianismus. Arius wurde verdammt und aus der Kirche ausgeschlossen, weil er lehrte, dass Jesus Christus ein Geschöpf sei, das erste und höchste der Schöpfung, aber trotzdem ein Geschöpf. Ausdrücklich wird dies im Glaubensbekenntnis von Nizäa festgehalten: „Gezeugt, nicht geschaffen.“ Eine ähnliche Formulierung ist übrigens Papst Benedikt unterlaufen, als er noch Ratzinger war. In seiner „Einführung in das Christentum“ spricht er von Jesus als einer Neuschöpfung Gottes.
All das wäre nicht weiter schlimm. Im Eifer des Predigens und in dem Wunsch, die Zuhörer zu ergreifen und zu fesseln, können natürlich Formulierungen vorkommen, die auf der Goldwaage der Theologie etwas fragwürdig wirken. Voraussetzung ist allerdings, dass der Prediger oder im Notfall irgend jemand anderer erklären kann, wie es denn in Wirklichkeit gemeint ist. Das ist aber hier nicht der Fall. Der Verwirrung in den Weihnachtspredigten entspricht die Verwirrrung in der Gottesfrage überhaupt: Wie ist der eine und wie ist der dreifaltige Gott zu verstehen?
Das hohe Ross
Papst Benedikt hat in seiner Ansprache in der Christmette gefordert, die Menschen müssten „vom hohen Ross unseres aufgeklärten Verstandes heruntersteigen“. Ein guter Ratschlag. Voraussetzung wäre allerdings, dass man erst einmal hinaufkommt. Ferner meint er: „Wir müssen unsere falschen Gewissheiten, unseren intellektuellen Stolz ablegen, der uns hindert, die Nähe Gottes zu sehen.“ Die falschen Gewissheiten, das sind zur Zeit die Bausteine des christlichen Glaubens. Und was uns hindert, die Nähe Gottes zu sehen, ist nicht unser intellektueller Stolz, sondern unsere intellektuelle Faulheit, die Weigerung, die Probleme vor unserer eigenen Nase zu erkennen und anzupacken.
Hm….was die Drefaltigkeit anbelangt: ich möchte Sie bestimmt nicht wieder ärgern, Herr Djebe, aber solange wir von „Gott“ nicht den Hauch einer Definition besitzen, scheint mir die Dreifaltigkeitsdiskussion ein Streit um des Kaisers Bart zu sein. Es handelt sich in der Tat um einen innertheologischen Streit, der nicht nur für Ungläubige schwer nachvollziehbar ist. Daran dürfte es unter Anderem auch liegen, dass selbst Herren mit hohen theologischen Weihen sich in den Begriffen verlieren.
Man kann sich auch trefflich über die Eigenschaften einer Seele streiten: Solange es alles andere als sicher ist, dass es so etwas, in welcher Form auch immer, gibt, neige ich zum leisen aber bestimmten Kopfschütteln.
Zur Weihnachtsansprache des Papstes fiele mir Einiges ein, aber eine solch arrogante Zurschaustellung der eigenen Borniertheit verdient meiner Meinung nach keine Aufmerksamkeit.
Ansonsten wünsche ich Ihnen und Ihrem Blog viel Interesse, gute Diskussionen, und möglichst wenig Trollbefall.
P.S. ich werde hier wieder aus diversen Gründenunter meinem bekannten Nick posten.
hallo cydonia
Willkommen auf meinem Blog & herzlichen Glückwunsch zum ersten Kommentar! Sorry für meine lange Reaktionszeit. Ich hatte mir über den Jahreswechsel eine heftige Darmgrippe gegönnt.
Zu Ihren Kommentaren hier sowie bei den anderen Posts: Unser letzter Wortwechsel auf „Natur des Glaubens“ war unter anderem deshalb etwas unglücklich, weil ich gezwungen war, scheibchenweise Grundlagen herauszugeben, die eine zusammenfassende Behandlung verdient hätten. Ich habe mich entschlossen, demnächst auf diesem Blog! eine Reihe zu den begrifflichen Fundamenten der christlichen Lehre zu starten. Dort lässt sich dann besser über diese Dinge diskutieren. Es wäre natürlich nett, wenn da noch ein paar andere Leute mitlesen und -sprechen würden.
Ich wünsche Ihnen und allen anderen ein gutes 2012!
Der Monarchianismus mag ja als Ketzerei verurteilt worden sein. Jedoch sehe ich nicht, wieso dieses Urteil Bestand haben sollte. Wieso sollte Gott nicht leiden können? (Das scheint mir doch der Grund für die damalige Verurteilung zu sein) Mir in meiner Naivität stellt sich das im Moment so dar, daß die damaligen Theologen sich zu sehr an einem griechischen Gottesbild orientiert hatten… (so bin ich auch bei der Allmacht Gottes ziemlich skeptisch, schon allein, weil ich nicht sehe, wie man den Begriff mit Inhalt füllen sollte)
Kleine Anmerkung: Hier fehlt die Möglichkeit, sich über neue Kommentare per E-Mail informieren zu lassen. Falls sich das für Sie leicht realisieren ließe, würde dies die Benutzung der Kommentarfnktion angenehmer machen.
Ich wollte hier keine Beurteilung des Monarchianismus abgeben. Ich wollte nur darauf hinweisen, wie stark der Gottesbegriff heutzutage zwischen untereinander unverträglichen Positionen herumeiert. Dass sie untereinander unverträglich sind, beweist ja schon Ihr Abrücken von dem Begriff der Allmacht, der ja noch zum offiziellen Gottesbild dazu gehört. Ich behaupte einfach, dass es an der Zeit ist, einen stringenten Gottesbegriff zu finden, wie ich es z.B. in meinem Buch getan habe. Oder eben mehrere, die dann in einen fruchtbaren Wettstreit eintreten könnten.
Übrigens war der Monarchianismus wohl gerade beim einfachen Kirchenvolk Roms beliebt und zwar aus spirituellen Gründen. Die Erlösung durch den Tod Jesu wurde desto stärker empfunden, je höher dieses Opfer einzuschätzen war, am höchsten, wenn sich der Schöpfer und Herr der Welt persönlich ans Kreuz schlagen ließ. Diese Pointe würde ja gerade zerstört werden, wenn man Gott von diesem Posten degradiert.
Zu Ihrer Anmerkung: Ich bin ja schon stolz, dass man sich inzwischen wenigstens über neue Posts per Newsletter informieren lassen kann. Als nächstes möchte ich für Kommentare automatische Formatierungshilfen einführen (Buttons für Fett, Unterstreichen, Zitieren u.ä.). Dann kommt die Fähigkeit dran, Kommentaren einen Titel zu geben. Dazu muss ich WordPress manuell umprogrammieren. Und dann mache ich mich (vielleicht) dran, sich per Newsletter über Kommentare informieren zu lassen. (Die entsprechenden Plugins hat der Teufel gesehen) Aber ich werde die Sache im Auge behalten, schon allein deshalb, weil ich mich über Kommentatoren wie Sie sehr freue.
Ich weiß gar nicht mehr, ob sich das aus Unverträglichkeiten heraus entwickelt hat. Ich meine mich zu erinnern, daß in einer Veranstaltung an der Uni (ich studiere Theologie) gesagt wurde, daß „allmächtig“ in der Bibel (oder war es nur das AT?) nicht von Gott ausgesagt würde. Es wär dies natürlich schon eine Unverträglichkeit, nämlich zwischen Bibeltext und Gottesbild, jedenfalls bestand die nversträglichkeit aber nicht zwischen zwei Gottesbildern.
Das Buch habe ich heute bestellt und bin schon ziemlich gespannt. Zu den Plugins kann ich nicht viel sagen. Da mein Blog auf wordpress.com gehostet ist, ist das bei mir alles schon vorinstalliert. Und noch ist hier ja nicht so viel los, daß man den Überblick verlieren würde.
Zum Thema „Mail-Info zu neuen Kommentaren“: Bekommen Sie die als admin oder kann jeder User die abonnieren (auf Ihrer Website habe ich nämlich nichts derartiges gefunden)? Ich könnte Sie hilfsweise manuell auf eine Mailingliste setzen, wenn Sie das wünschen.
Zum Thema „Allmacht im AT“: Die Septuaginta übersetzt das hebräische „schaddai“ in griechisch „pantokrator“, also Allesbeherrscher. Die Diskussion über die ursprüngliche Bedeutung von „schaddai“ hat bisher keine wirklich schlagende Lösung gefunden. Aber ich würde den Übersetzern der Septuaginta die Kompetenz zutrauen, die Bedeutung dieses Wort zu ihrer Zeit korrekt zu kennen
Als Admin bekomme ich nicht automatisch ne Benachrichtigung, wenn ich nicht auch selbst schonkommentioert hab und die Kommentare abonniert hab. Eine Benachrictigung kriege ich nur, falls es etwas zu moderieren gibt, wenn also Aksimet der Meinung ist, daß da jemand gespammt hat (und dann auch nicht immer, glaub ich).
Das was ich meinte, ist auf meiner Seite unterhalb des Kommentar-Texteingabefeldes. Da gibt es ein Kästchen, das man anklicken kann „Benachrichtigung bei weiteren Kommentaren per E-Mail senden.“
Kreuzt man dies vor Absendung eines Kommentars an, so wird einem bei jedem neuen Kommentar zum Artikel eine Mail zugeschickt.
Keine Umstände! So etwas wird wichtig, wenn hier einmal mehr los ist (lange wirds bei der Qualität der Beiträge nicht mehr dauern), weil man dann vielleicht bei mehreren Artikeln gleichzeitig kommentiert hat und in einer Diskussison ist. Dann ist eine manuell verwaltete Mailingliste auch keine Hilfe mehr (jedenfalls nicht für Sie ;)), also verschwenden Sie Ihre Zeit nicht für Dinge, die ich mit etwas mehr Fleiß selbst erledigen kann.
„Die Diskussion über die ursprüngliche Bedeutung von “schaddai” hat bisher keine wirklich schlagende Lösung gefunden. Aber ich würde den Übersetzern der Septuaginta die Kompetenz zutrauen, die Bedeutung dieses Wort zu ihrer Zeit korrekt zu kennen“
Da bin ich skeptischer. Meine Septuaginta-Übung ist schon ne Weile her, aber beim Übersetzen der Texte fiel auf, daß die Übersetzer teilweise ziemlich daneben lagen, zu Umschreibungen griffen etc. Manche Begriffe machen auch eine Bedeutungsveränderung durch, so ist psyche die Übersetzung von näfäsch, was ungefähr hinkommen mag, aber die Gefahr birgt, daß man mit einem platonischen Seelenbegriff an die Texte rangeht (was ja auch geschah).
Darüber hinaus meine ich einen Unterschied zu erkennen zwischen einem, der alles beherrscht „pantokrator“ und einem, der allmächtig ist (pantodynamator?), aber das ist nochmal eine andere Diskussion.