Dez 162011
 

Pater Anselm Grün ist im Moment in Deutschland vermutlich der christliche Lehrer mit der größten Breitenwirkung. Die Zahl seiner Bücher multipliziert mit der jeweiligen Auflage, die Fülle seiner öffentlichen Auftritte bleibt konstant, während vergleichbare Phänomene wie Drewermann oder Fliege ins Halbdunkel versunken sind.

Letzen Sonntag hatte er einen solchen Auftritt im Kulturessort von ZDF, ein Interview mit Frau Bauernfeind. Und darin einige erhellende Sätze um das Zentrum des von ihm gelehrten Glaubens: Gott

Wenn einer sagt, er glaube nicht an Gott, dann frage ich immer „was heißt das, nicht an Gott zu glauben“. Der glaubt nicht an einen bestimmten Gott, an ein Gottesbild, das er vielleicht mit Gott verbindet. Das Sprechen über Gott ist immer ein Suchen nach dem Geheimnis, die Frage „ja, welchen Gott gibt es dann nicht?“, den festgenagelten Gott, den ich in ein ganz bestimmtes Korsett dränge. Er ist die Ahnung: Was ist die Natur, was bin ich, was ist der Grund, was ich für eine Musik höre, was schaue ich an, wenn ich eine Blume anschaue, also diese Dinge zu Ende spüren, dann erahne ich etwas von Gott. Oder, ja, ich kann Gott auch nicht schauen, aber eine Sehnsucht spürt jeder und die Sehnsucht ist so, wie die Spur, die Gott in mein Herz gegraben hat. In der Sehnsucht nach Gott ist schon etwas von Gott. Gott selber … also ich bin immer allergisch, wenn einer zu genau weiß, wer Gott ist.

Jeder glaubt an Gott, weil keiner weiß, was das heißt

Diese Passage erschließt sich am Besten, wenn man sie von hinten, von ihrer Pointe her, analysiert, also:

 Ich bin immer allergisch, wenn einer zu genau weiß, wer Gott ist.

Grün gebraucht hier einen sehr starken Ausdruck. Wenn er mit einigermaßen präzisen Aussagen über Gott konfrontiert wird, ist er nicht skeptisch oder ungläubig, sondern allergisch. Er begegnet hier einer extrem unhygienischen oder amoralischen Zumutung, sein ganzes Wesen sträubt sich gegen ein zu genaues Wissen an diesem Punkt.

Was heißt hier „zu genau“? Das ergibt sich aus dem Beginn der Passage: Wenn jemand sagt, er glaube nicht an Gott, dann hat er damit laut Grün ein ganz bestimmtes Gottesbild im Auge, einen „festgenagelten Gott“, der in ein bestimmtes Korsett gedrängt wurde. Diese negativen Metaphern machen bereits klar, dass Grün damit absolut nicht einverstanden ist. Allzu bestimmte Gottesbilder sind allergen, wie wir inzwischen wissen. Das heißt im Rückschluss, dass es bei einem hygienischen, also hinreichend entnagelten und von Korsetten befreiten Gott nie zu der Aussage kommen wird, man glaube nicht an ihn, einfach weil er viel zu vage ist, um auch nur den Unglauben an ihn behaupten zu können.

An dieser Stelle fällt mir immer der Satz von Kardinal Newman ein: „Ich sehe keinen großen Unterschied darin, ob man erklärt, dass es keinen Gott gibt, oder ob man nun erklärt, dass man etwas Sicheres über ihn nicht aussagen kann.“ Grün spürt hier auch, dass er irgend etwas nachliefern muss.

Alles so schön bunt hier

Erstens: „Er ist die Ahnung: Was ist die Natur, was bin ich, was ist der Grund, was ich für eine Musik höre, was schaue ich an, wenn ich eine Blume anschaue, also diese Dinge zu Ende spüren, dann erahne ich etwas von Gott.

Gott hat also zunächst irgend etwas mit positiven Dingen zu tun: Die Natur (wohlweislich verkörpert durch eine hübsche Blume und nicht durch einen ekligen HIV-Virus) und die Musik (hier wohl auch eher Bach als das Horst-Wessel-Lied). Noch was? Keine Ahnung. Allzu genaues Nachfragen könnte ja auch wieder zu Allergien führen. Auf jeden Fall erahnt man etwas von Gott, wenn man diese Dinge zu Ende spürt. Allerdings besteht auch wieder die Gefahr, dass sich ein ganz hartnäckiger Mensch jetzt wirklich irgend etwas am Ende dieser Dinge erarbeiten will und dann in gefährliche Nähe eines zu genauen Wissens über Gott gerät, Deshalb behauptet Grün gleichzeitig, dass Gott nicht das Ende dieser Ahnung, sondern die Ahnung selbst ist. Gefahr erkannt, Gefahr gebannt. Mit diesen Anleitungen ist sicher gestellt, dass sich alles im Vagen verläppert, dort, wo keiner sagen kann, dass er nicht an Gott glaubt.

Zweitens: Oder, ja, ich kann Gott auch nicht schauen, aber eine Sehnsucht spürt jeder und die Sehnsucht ist so, wie die Spur, die Gott in mein Herz gegraben hat. In der Sehnsucht nach Gott ist schon etwas von Gott.

Also: Ich kann Gott auch nicht schauen, das wissen wir schon, Allergie und so. Dann: Jeder spürt eine Sehnsucht. Stimmt vermutlich für die meisten irgendwann (ich google gerade parallel nach „Sehnsucht“ und finde eine Doppel-CD mit 40 großen Schlagern der Sehnsucht). Ja und?

Jetzt kommt es: Gemeint ist die Sehnsucht nach Gott. Dann stimmt der Satz aber einfach nicht mehr. Buddhisten z.B. haben keine Sehnsucht nach irgend etwas, was auch nur von ferne mit dem christlichen Gott identifizierbar wäre.

Ach ja, das wars dann auch schon. Was bleibt also? Argumente, einigermaßen schlüssige Gedankenketten waren jedenfalls keine dabei. Beim näherem Hinsehen wirft er hier einfach seine Authorität in die Waagschale, um das Allzu Genaue als illegitim zu erklären. Als Alternative bietet er rosarote Dampfwolken, in denen eine der großen Traditionen der Menschheit erstickt wird. Und die sicher stellen, dass darin kein allzu genauer Gedanke entwickelt wird, der nur zu Allergien führen kann.

Dampf und Nägel

All das wäre nicht der Rede wert, wenn nicht Pater Anselm Grün … siehe oben. Und wenn nicht das hingebungsvolle Zuhören von Frau Bauernfeind gewesen wäre, die mit jeder Mikrogeste signalisiert hätte, dass hier ein ganz Großer etwas ganz Großes sagt. Und wenn sie damit nicht genau den augenblicklichen Zustand des Sprechens über den Glauben, über Gott, in unserer Gesellschaft widerspiegeln würde.

Grün prangert den angenagelten Gott an der in ein Korsett gedrängt wird. Keine Probleme scheint er zu haben mit dem angetatschten Gott, der in Flaschen gestopft, auf  Trinkstärke verdünnt und als Allheilmittel für dieses und jenes auf den Markt geworfen wird, wie das Grün mit großem Gewinn tut.

Ja, Menschen sollen getröstet werden und dazu darf auch einmal rosa Dampf produziert werden, wenn er denn wirklich hilft.  Aber wenn als Quelle des Dampfes das Christentum gewählt wird, sollte niemand vergessen, dass es unter bestimmten Umständen in die Welt gekommen ist und unter bestimmten Umständen wieder daraus verschwinden kann, wie es heutzutage mit Händen zu greifen ist. Und niemand sollte glauben, dass es zu bewahren ist, ohne das Auffinden und die Bestimmung ihrer Grundlagen.

Nein, Pater Anselm Grün, das heißt nicht, dass wir Gott annageln, was auch immer das heißen mag. Selbst müssen wir uns annageln, uns verpflichten auf den Dienst an der Wahrheit, an der Strenge, an der Genauigkeit. Allergien müssen da in Kauf genommen werden.

  One Response to “Grün und Gott”

  1. Eine kleine Korrektur: Wenn jemand sagt, er glaube nicht an Gott, dann hat er meistens viele Gottesbilder im Auge von denen ein jedes das nächste an Unwahrscheinlichkeit zu übertreffen scheint.
    Grüns Konzept eines wohlgeölten, ungreifbaren, immer wieder durch die Hände rinnenden Gottes geht aber auch mir auf die Nerven…nur……ist es denn nicht das, was fast alle Gläubigen vertreten?
    Und ich denke, dass Grün auch dewegen so viel Erfolg hat(mir wird übrigens immer schlecht, wenn ich versuche, was von ihm zu lesen, weil er ein esoterisches Wohlfühlgottesbild plegt, das steriler ist, als ein mit Domestos gereinigter Plastikweihnachtsbaum), weil er ein großer Schwurbler vor dem Herrn ist.
    (Bei Ihrer Einschätzung des Buddhismus würde ich übrigens widersprechen wollen. Auch Drewermann und Fliege(Grün sowieso) in einem Atemzug genannt zu sehen, missfällt mir. Fliege und Grün sind so entsetzliche Leichtgewichte…)
    Und ich bin gegen nichtssagenden rosa Dampf, in jeder Form. Ich kann aber den nichtrosa Kern eines alternativen, echten Christentums, dessen Existenz Sie andeuten, auch nicht erkennen. Mir kommt es immer nur so vor, als würde jeder von sich behaupten, sein Dampf sei nun gerade nicht rosa. Den Beweis sind in meinen Augen bis jetzt alle schuldig geblieben.

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