Da ich in einem der nächsten Blogs meinen „Grunddiskurs Religion “ beginnen werde, wollte ich zuvor eine andere Stimme hören lassen. „cydonia“ ist ein hartnäckiger atheistischer Kommentator, der über manche Strecken meine Art zu denken wiederspiegelt, nur eben auf der anderen Seite. Ich habe ihn deshalb gebeten, mir zum einen Beitrag zu schreiben. Diesen hier. Vielen Dank auch!
Warum Gespräche mit Gläubigen für Atheisten mitunter sehr anstrengend, zuweilen auch frustrierend sind.
Jeder Ungläubige, der Spaß und Interesse an Diskussionen hat, wird seiner Leidenschaft auch frönen, wenn es um Religionen geht, und da man es im realen Leben auch immer mal wieder mit gläubigen Mitmenschen zu tun hat, ist der eine oder andere Schlagabtausch unumgänglich. Allerdings unterscheidet sich ein Gespräch mit wahrhaft gläubigen Menschen über Glauben und Religion oft deutlich von Gesprächen mit nichtgläubigen Mitmenschen, aber auch deutlich von Gesprächen mit gläubigen Menschen, wenn das Thema glaubensfern ist.
Mir scheint, dass das Thema „Glauben“ in allen möglichen Varianten bei den jeweiligen Gläubigen ein bestimmtes Diskursverhalten zwingend einleitet, das eigentlich immer ähnlich gestrickt ist, was mich, zumindest bei meinen ersten Diskussionsversuchen im ideologischen Bereich, einigermaßen irritiert hat.
Eines der immer wieder auftauchenden Merkmale in religiösen Diskussionen ist die absolute Sicherheit, mit der Gläubige Dinge vertreten können, für die es nicht den Hauch eines Beleges gibt. „Ich weiß, dass Jesus von den Toten auferstanden ist, und weil ich ihn als meinen Erlöser erkannt habe, bin ich sicher, dass auch mir das ewige Leben sicher ist!“ oder „Jesus hat durch seinen Tod am Kreuz die Sünden der Welt auf sich genommen, und alle gerettet“. Ein solcher Einsteig macht jede Diskussion unmöglich, und letztendlich auch überflüssig, weil hier etwas postuliert wird, was in keiner Weise mit den Instrumenten, die uns Menschen zur Verfügung stehen, bearbeitbar ist.
Engel und Aliens
Wenn mir ein Mensch erzählt, er sei von Aliens entführt worden, so stehe ich vor genau dem gleichen Problem: Dieser Mensch glaubt, dass das was er sagt wahr ist, und auch wenn die Geschichte im höchsten Maße unwahrscheinlich ist, so kann ich nichts tun, um eine echte Diskussion in Gang zu bringen, weil die Behauptung zwar auf ihre Wahrscheinlichkeit hin überprüft werden kann, aber wenn der Mensch das glaubt, dann interessieren ihn erfahrungsgemäß meine Einwände recht wenig. Und das macht eine Diskussion, wie gesagt, von vornherein unmöglich, zumindest was die „Glaubenswahrheiten“ betrifft.
Es sind aber gerade diese „Glaubenswahrheiten“ auf die normalerweise zentral gepocht wird, und es wird nicht selten als Frevel wahrgenommen, wenn man darauf aufmerksam macht, dass es keinen objektiv nachvollziehbaren Grund gibt, einer solchen „Wahrheit“ einen echten Wahrheitsgehalt zuzugestehen.
Warum diskutieren?
Wenn ich dann aber anfange, das Geglaubte zu sezieren und konsequent in Frage zu stellen(denn wozu sollte ein Glaubender mit einem Ungläubigen diskutieren? Bestätigung wird er sich kaum erwarten: ich denke, er erwartet, dass seine Position in irgendeiner Weise überzeugend sowie hieb- und stichfest ist), dann wird das sehr oft als persönlicher Angriff und als Unverschämtheit angesehen, weil der Glaubende das Geglaubte so dermaßen fest an seine Persönlichkeit geknüpft sieht(über die vermuteten Gründe hierfür lasse ich mich jetzt und hier nicht aus), dass jede radikale Infragestellung als persönliche Beleidigung interpretiert werden kann, und auch wird, wenn ich nicht aufpasse. Und das ist anstrengend.
Ich frage die hier mitlesenden Gläubigen ganz ernsthaft, wieso sie eine Diskussion suchen, die schon allein wegen der angesprochenen Punkte(es gibt noch ein paar mehr) nicht oder kaum geführt werden kann. Wer nur unbelegbare Behauptungen vorzuweisen hat, wird nicht bestehen können.
Wieso also, und das soll heute meine Frage sein, versuchen Gläubige die Inhalte ihres Glaubens zur Diskussion zu stellen? Was sind die Erwartungen?
„Ich will verstehen“ pflegte Hannah Arendt zu sagen…..in diesem Sinne.
Mit dem nächsten Post beginnt mein „Grunddiskurs des Glaubens“. Er trägt den Titel „Das Christentum: Grundlegende Anatomie“ Wenn Sie bei seinem Erscheinen benachrichtigt werden wollen, dann holen Sie sich in der rechten Spalte den RSS-Feed oder abonnieren Sie den Newsletter.
Natürlich muss ich als Erstes sagen, dass diese Christen, von denen cydonia redet, von einem etwas anderen Schlag sind als ich selbst. Und ich werde das in meinem Grunddiskurs beweisen. Aber ich finde die abschließende Frage nicht nur interessant, sondern auch als Anfrage an diesen meinen Blog. Warum unterhalte ich ihn?
Erst mal so weit. Mal sehen, was andere zu sagen haben.
Vielen Dank für die einleitenden Worte.
Und ich hoffe, dass sie „Vielen Dank auch!“ nicht so meinen, wie die meisten, wenn sie dergleichen äußern 😉
Bis morgen, cydonia
Mich wundert es bei Atheisten immer, daß sie aleine und nur die Frage diskutieren wollen, ob Gott denn existiert oder nicht. Ich habe selbst lange Jahre auf nem Atheistenblog diskutiert, es ging um alle möglichen Themen, und immer wieder wurde das Thema in Richtung Gottesexistenz geshiftet, ob es um PID ging, um Kindesmißbrauch in der Kirche oder um die Hexenverfolgung. Ich meine, über diese Themen läßt sich wunderbar diskutieren, ohne die Gottesexistenzfrage zu stellen. Da ich aber als Gläubiger bekannt war (wieso sollte ich es verhehlen?) wurde immer wieder in diese Richtung diskutiert.
Ich will meinen Glauben nicht diskutieren. Ich will unter Umständen verschiedene Inhalte diskutieren, aber daß es Gott gibt ist für mich so evident, daß die Frage danach für mich so unsinnig erscheint wie die Frage nach der Existenz der Welt überhaupt.
Einzelne Aspekte diskutiere ich gerne, allerdings sind daran eher andere Gläubige interessiert, nach meiner Erfahrung gibt es kaum Atheisten, die sich für die Unterschiede verschiedener Aspekte des Glaubens interessieren, etwa für die verschiedenen Deutungen des Kreuzestodes, um mal eine Sache rauszupicken. Die Diskussion geht immer gleich um die Existenz Gottes an sich, und das ist natürlich angreifend, insofern ja auch Atheisten sich angegriffen fühlen (meine Erfahrung), wenn man infrage stellt, daß sie immer und zu allen Zeiten vollkommen rational denken (auch Atheisten haben Gefühle).
Ehe ich morgen intensiver einsteige: habe ich die Existenz Gottes thematisiert? Ich denke nicht!
Und „Ich will meinen Glauben nicht diskutieren“……hmm…wie soll ich das verstehen? Was tun wir denn Ihrer Meinung nach in diesem Blog?
Und seien Sie versichert, dass ich nicht schmollen werde, falls ich mich angegriffen fühlen sollte. Ich werde es zu themtisieren und zu erklären versuchen. Ich hoffe sehr, dass Sie das auch tun.
Beste Grüße, cydonia
Ich habe mich entschlossen, zu dieser Frage (warum den Glauben öffentlich diskutieren?) ein Stück weit Persönliches preiszugeben.
Bevor ich mich daran gemacht habe, den christlichen Glauben zu rekonstruieren, bin ich natürlich davon ausgegangen, dass es zumindest einen Autor, Denker, Philosophen, Theologen oder was auch immer gibt, der diese Aufgabe bereits gemeistert hat. Ich habe lange gesucht, von Barth zu Rahner zu Bloch zu Ratzinger oder wo auch immer und bin nicht fündig geworden. Allerdings muss ich zugeben, dass ich als promovierter Logiker vielleicht extreme Ansprüche an eine solche Rekonstruktion stelle.
An diesem Punkt habe ich mich dann entschlossen, diese Arbeit selbst zu übernehmen. Nur ein kleines Stückchen weit, bis zu der Grenze, an der das Sagbare aufhört und das Unsagbare (der Glaube) beginnt. Vielleicht wäre das Ergebnis nicht besonders brilliant, aber sicher noch besser als der Durchschnitt dessen, was so allgemein publiziert wird. Was ich damals nicht wusste: Diese Grenze gibt es. Sie funktioniert aber nicht als Stopper des Denkens an einem bestimmten Punkt (also etwa: „Gott Vater kriegt man noch auf die Reihe, aber Gott Sohn muss man einfach glauben“). Vielmehr verläuft sie sozusagen parallel zum Denken: Jeder Inhalt kann sowohl analytisch durchdrungen als auch spirituell rezipiert werden.
Und so wurde ich immer tiefer in die Thematik gelockt, bis heute, bis zu meinem Buch und diesem Blog. Und jetzt wieder zurück zur Anfangsfrage: Einer der Gründe, warum ich das Ganze öffentlich gemacht habe, ist sicher der, dass es mich einfach ärgert, so viel Schlampiges, Halbgedachtes, Billiges zu diesem Thema zu lesen. Wenn ich aber darüber maule, habe ich auch die Pflicht, selbst etwas Besseres hinzustellen.
Nö.
Wir diskutieren nicht, wieso jemand glaubt, sondern was jemand glaubt. Das ist ein Unterschied. Glaube ist IMHO nicht kognitiv erlernbar. Man kommt da nicht durch eigene Geistesanstrengung hin. INsofern ist es auch schlecht diskutierbar. Genausowenig wie Kunst, entweder man mag sie, oder nicht. Was man aber diskutieren kann ist, wie sich ein bestimmter Künstler innerhalb einer Kunstform positioniert, was seine Ausrucksformen sind etc. Man kann diskutieren, was der Künstler macht, man kann ein Urteil fällen über seine Kunst im Referenzrahmen anderer Künstler etwa. Man kann aber kein objektives Urteil über seine Kunst fällen, ohne einen Referenzrahmen zu haben. Man kann nur subjektiv sagen: Ich mag keine klassische Musik. Das ist dann aber kein objektives Urteil über Mozart.
So kann man diskutieren, was jemand glaubt. Aber der Glaube sebst ist schlecht diskutierbar. Was soll der Referenzrahmen sein?
@BBT: Tut mir leid wegen den Blockquotes. Kommt von dem tinyMCE, den ich hier für die Kommentare installiert hatte (mit den Buttons für Fett und Kursiv usw.). Er ist jetzt deaktiviert und damit sollten die (meisten) von den unten angegebenen Tags wieder funktionieren. Damit ist die Schrift hier auch wieder größer (Hallo Herr Aichele).
Das mit dem Diskutieren des Glaubens (des „Wieso“ und des „Was“) ist eine heikle Sache. Es ist in der Hitze des Gefechts (und vielleicht sonst auch) schwierig, hier die Grenze zu ziehen. Nehmen wir die beiden Beispiele im Post von cydonia:
(a) Ich habe Jesus als meinen Erlöser erkannt.
(b) Jesus hat durch seinen Tod am Kreuz alle Menschen erlöst.
Die erste Aussage ist ein persönliches Bekenntnis, das „schlecht diskutierbar ist, wie BBT richtig sagt. Wenn ich cydonia richtig verstanden habe, so meint er, dass ein solcher Satz dann eben auch nicht in die öffentliche Diskussion gestellt werden soll. Oder er wird eben dort als rein subjektiv gekennzeichnet, was ja auch in Ordnung ist.
Bei der zweiten Aussage bin ich mir nicht so sicher. Zuerst einmal: Sie ist die Schlusspointe einer langen geistigen Entwicklung und setzt sehr viel voraus. Angenommen, ich setze einem Atheisten diese schwierige Gedankenkette auseinander (im „Was“-Modus, also „was glaube ich“). Dann komme ich so gut wie sicher ziemlich bald an den Punkt, an dem er unterbricht und sagt: „Und so was glaubst du wirklich?“ Und dann ist die Diskussion im „Wieso“-Modus gelandet und kommt da auch nicht mehr heraus. Und bald kommen dann wahlweise der Gotteswahn oder die Religionskriege daher. Richtig, oder die Mißbrauchgeschichten. Hab ich was vergessen?
Ich bin sicher, bei ehrlichen Teilnehmern an solchen Diskussionen (keine sehr große Schar) ist die Frustration auf beiden Seiten hoch. Vor allem, weil er, statistisch gesehen, mit hoher Wahrscheinlichkeit keine ehrlichen Gegner hat.
Na, sehen wir mal, wie sich die Sache hier entwickelt.
Achja, die blockquotes gingen bei Ihnen ja gar nicht. Hatte ich schon wieder vergessen, aber ich sehe, Sie haben meinen KOmmentar entsprechend angepasst.
Da stimme ich Ihnen zu. Vielleicht ist es deshalb umso wichtiger, sich die Existenz dieser Grenze (wo sie auch immer genau liegen mag) in Erinnerung zu rufen. Womöglich verhindert das den ein oder anderen Frust.
Das ist mein Punkt. An dieser Stelle kann der Gläubige nicht mehr viel mehr bringen als „ja, das glaube ich wirklich“. Die Diskussion ist hier erst einmal zu Ende. (wäre sie auch beim Atheisten an dem Punkt wo man fragt: „An die Ursache-Wirkung Kette glaubst Du wirklich?“ Nur wird diese Frage selten gestellt)
In meinen bisherigen Diskussionen kam dann als Einwand, daß mein Gegenüber sagte, er könne die Ursache Wirkungs Kette hinterfragen. Allerdings gibt es eben nix Besseres, das er kennen würde.
Nun kann auch ich meinen Glauben hinterfragen und durchdenken, wie alles wär ohne den Glauben, ohne Gott (allein die Fähigkeit wird mir jedoch meist schon aus Prinzip abgesprochen). Wenn ich dann zu dem Ergebnis komme, daß es da nichts Besseres gibt, wird das aufgrund der eigenen subjektiven Ansicht meines Gegenübers verneint. Und da ich meist auf Blogs diskutiert habe kamen dazwischen auch diverse Störkommentare, in denen es eben um Hexen, Homophobie und dergleichen ging, aber as ist halt das Manko des Diskussionsumfeldes.
Mit meinen nicht gläubigen Freunden rede ich recht selten über Religion. Klar kommen da Fragen, was ich so im Theologiestudium mache, die kann ich beantworten. Auch die Frage, ob ich das jetzt wirklich glaube kam schon, und ich habe wahrheitsgemäß bejaht. Allerdings ist man da in meinem Freundeskreis dann auch zufrieden mit.
Ich würde, ehe ich hoffentlich heute noch ausführlich auf das bisher Geschriebene eingehe(Deadline), höflich darum bitten, wirklich beim Thema zu bleiben, und den gewachsenen Vorurteilen gegen Atheisten nicht zuviel Raum zu geben.
Ich hatte und habe nicht vor mich über Gotteswahn, Religionskriege, Hexen oder Homophobie auszulassen. Nicht mein Stil.
Es sind Urteile nach langen, intensiven Gesprächen mit Menschen, die sich als Atheisten bezeichneten. Da ich mit Ihnen noch keine Diskussion geführt habe, kann ich nur auf diese zurückgreifen. So wie Sie bei Ihren Erfahrungen nur auf andere Christen zurückgreifen können.
Das freut mich. Ich habe es Ihnen auch nicht vorgeworfen. Aber es kommt wohl derart häufig, daß es sich derart tief bei mir eingebrannt hat, daß ich ein Bedürfnis habe, auch darüber zu reden. Ich werde versuchen, es zu unterdrücken.