Dez 272011
 

In meinem letzten Post habe ich über die Poesie des Lukasevangeliums gesprochen, das die Jungfrau Maria als Mutter Jesu neben die patriarchale Abstammungsliste bei Matthäus stellt. Diese schöne Symbolik verändert ihren Charakter, wenn sie in ein Dogma umgewandelt wird. Der wichtigste Schritt dazu geschah auf 649, als die sogenannte Lateransynode zusammen mit Papst Martin I. festlegte:

Wer nicht … im eigentlichen und wahren Sinne die heilige und immer jungfräuliche … Maria als Gottesgebärerin bekennt, da sie … das göttliche Wort selbst … ohne Samen … empfangen und unversehrt geboren hat, indem unverletzt blieb ihre Jungfrauschaft auch nach der Geburt, der sei ausgeschlossen.“ Was hier zum Ausdruck kommt, ist die extremste Version, die fortwährende Jungfrauenschaft auch „in partu“, also auch während der Geburt.

Der eigentliche und wahre Sinn

Diese Formulierung ist vertrackter, als sie aussieht. Denn was heißt es, etwas „im eigentlichen und wahren Sinne“ zu „bekennen“, z.B. die Jungfrauenschaft in partu? Wohl ungefähr das, dass ich hier die Worte „Jungfrau“ und „Geburt“ in ihrem allgemeinen, wörtlichen Sinne verstehe. Dass das aber hier nicht möglich ist, wussten auch die damaligen Theologen. Somethings gotta give, irgendetwas muss hier nachgeben. Hier war es die Geburt, die dran glauben musste. Wenn sich damals Theologen dazu äußerten, dann erklärten sie, z.B., dass diese „Geburt“ wie ein Zauberkunststück oder vielleicht wie das Beamen aus Star Trek funktionierte. In einem Augenblick stand Maria noch schwanger da, im nächsten lag das Kind heraußen auf dem Stroh und alles war vorbei. Ein solcher Vorgang kann alles mögliche sein, eine Geburt im eigentlichen und wahren Sinn ist er nicht.

Wem diese meine Beschreibung ziemlich respektlos vorkommt, dem würde ich antworten, dass das eben die Folge eines solchen Dogmas ist. Wer etwas „im eigentlichen und wahren“ Sinne behauptet, der behauptet auch, dass es eine objektive, allgemeinen Regeln folgende, Beschreibung dieses Vorgangs gibt. Und damit gibt er diesen Tatbestand frei für eine hartnäckige und respektlose Untersuchung wie bei allen anderen objektiven Tatbeständen auch. Wer also aus einer poetischen, spirituellen Idee wie der der Entstehung Jesu außerhalb jeder Abstammungskette einen solchen Tatbestand macht, der wird sie mit ziemlicher Sicherheit zerstören. Und wer sie zu einem unumgänglichen Bestandteil des Glaubens macht, wird auch diesen Glauben verbiegen und beschädigen.

Biologisch? Je nachdem

Das zeigte sich auch in der jüngeren Zeit, als die Professorin Ranke-Heinemann ihren Lehrstuhl verlor, weil sie bestritten hatte, dass die Jungfrauengeburt ein biologischer Tatbestand sei. Wer die von mir angeführten Beschreibungen der alten Theologen liest, wird sofort sehen, dass sie keinen biologischen Vorgang beschreiben. Die Biologie kennt keine solchen magischen Transferierungen. Dies gilt nicht nur für alte Theologen, sondern auch für junge Gläubige. Wie auch immer sie sich die Jungfrauengeburt vorstellen, einen biologischen Tatbestand können sie dabei nicht vor Augen haben.

Wenn also jemand von den Glaubenswächtern demontiert wird, weil sie diese offensichtliche Tatsache öffentlich ausspricht, so zeigt sich damit, dass das Dogma zu einem Prügel für die offiziellen Ketzerjäger verkommen ist. Sie wissen sehr gut, dass sie es selbst niemals biologisch erklären können und dass es auch niemals eine solche Erklärung dafür geben wird. Sie behalten sich aber vor, nach Belieben jeden Gläubigen brutalstmöglich zu maßregeln, der das auch sagt.

Der zynische Glaube

Eine solche zynische Haltung fordert einen eben solchen Zynismus beim Glaubensvolk heraus. Der spätere Kardinal Newman hat in einem Brief seinen Glauben an die Transsubstantiation verteidigt (der Umwandlung der Substanz der Hostie in die Substanz Christi). Niemand könne nämlich hinreichend erklären, was mit „Substanz“ gemeint sei, also könne es kein Problem damit geben, eine solche Umwandlung der Substanz als Glaubenssatz zu bekennen. Für die Jungfrauengeburt heißt das: Da niemand erklären kann, in welcher Weise dies ein biologischer Tatbestand ist, kann es auch kein Problem damit geben, dies als biologische Tatsache zu bekennen. Also: Keine Ahnung, was das heißt und deshalb kein Problem, es zu glauben.

Und jetzt gilt es wieder, sich der Neuevangelisierung Europas zu widmen und zunächst einmal dem unerklärlichen Schwund des Glaubens hierzulande auf den Grund zu kommen. Muss wohl an irgend welchen finsteren satanischen Machenschaften liegen.

 

 Hinterlasse eine Antwort

Du kannst folgende HTML-Tags benutzen: <a href="" title=""> <abbr title=""> <acronym title=""> <b> <blockquote cite=""> <cite> <code> <del datetime=""> <em> <i> <q cite=""> <s> <strike> <strong>

(required)

(required)