Ich habe mich entschlossen, in meinen Blog eine neue Kategorie aufzunehmen, die der „Gottesfrage“. Bei diesem Stichwort ist mir etwas unbehaglich, weil es so stark innerchristlich ist, umweht von einem leisen Geruch nach Weihrauch oder nach den Bücherreihen im Lesesaal einer theologischen Fakultät. Trotzdem scheint es mir von allen einzelnen Stichworten das zu sein, das am treffendsten die Defizite des heutigen Christentums markiert: Wie steht es um seinen zentralen Begriff, also „Gott“, noch dazu den dreifaltigen?
In meinem letzten Post habe ich über die Poesie des Lukasevangeliums gesprochen, das die Jungfrau Maria als Mutter Jesu neben die patriarchale Abstammungsliste bei Matthäus stellt. Diese schöne Symbolik verändert ihren Charakter, wenn sie in ein Dogma umgewandelt wird. Der wichtigste Schritt dazu geschah auf 649, als die sogenannte Lateransynode zusammen mit Papst Martin I. festlegte:
„Wer nicht … im eigentlichen und wahren Sinne die heilige und immer jungfräuliche … Maria als Gottesgebärerin bekennt, da sie … das göttliche Wort selbst … ohne Samen … empfangen und unversehrt geboren hat, indem unverletzt blieb ihre Jungfrauschaft auch nach der Geburt, der sei ausgeschlossen.“ Was hier zum Ausdruck kommt, ist die extremste Version, die fortwährende Jungfrauenschaft auch „in partu“, also auch während der Geburt.
Das Lukasevangelium mit der Geschichte von der Geburt Jesu im Stall hat in der allgemeinen Vorstellung von Weihnachten eine absolute Monopolstellung. Das war nicht immer so. In den Anfängen des Christentums war das Fest der Erscheinung Christi, also „Heiligdreikönig“ das wichtigere. Die entsprechende Erzählung stammt aus dem Evangelium des Matthäus und berichtet von den weisen Männern aus dem Morgenland, die die Ankündigung von Jesu Geburt aus den Sternen lasen und kamen, um ihn anzubeten. Das war für die frühen Christen das entscheidende Fakt: Die Erscheinung Jesu vor der Welt.
Die „Brigitte“ gehört zu den Frauenzeitschriften, die ich selbst natürlich nie lese, die aber immer herumliegen, wenn ich irgendwo zu Besuch oder im Wartezimmer bin. Und ab und zu hat man da ja nichts Besseres zu tun und liest sie von vorne bis hinten, aber immer nur ausnahmsweise. Ganz ausnahmsweise!
Die letzte Ausgabe enthielt die Glosse eines Vaters und Redakteurs. Hier der zentrale Abschnitt daraus:
Die Sache mit dem Glauben frustriert mich. Die Kinder fragen, ich stottere. Keine Antworten. Was „allgegenwärtig“ eigentlich heißen soll, will Camilla, 8, wissen. Und ich fange an zu stammeln, von „überall“ und „immer“ und „ewig“. Es hört sich magisch an. Und blöde. Als ob ich über den Euro reden würde.
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Pater Anselm Grün ist im Moment in Deutschland vermutlich der christliche Lehrer mit der größten Breitenwirkung. Die Zahl seiner Bücher multipliziert mit der jeweiligen Auflage, die Fülle seiner öffentlichen Auftritte bleibt konstant, während vergleichbare Phänomene wie Drewermann oder Fliege ins Halbdunkel versunken sind.
Letzen Sonntag hatte er einen solchen Auftritt im Kulturessort von ZDF, ein Interview mit Frau Bauernfeind. Und darin einige erhellende Sätze um das Zentrum des von ihm gelehrten Glaubens: Gott
.. „auf die Kanonen zumarschieren“. Das war ein Prinzip der Kriegsführung des 19. Jahrhunderts. Also: Egal, wie die offiziellen Befehle lauten, wenn von irgendwo her das Donnern der Geschütze zu hören ist, ist dort die Schlacht, findet dort die Entscheidung statt und das ist der Ort, wohin man auch selbst marschiert, und zwar so schnell wie möglich.
Das heimliche Motto der zeitgenössischen Theologie ist die Umkehrung dieses Prinzips. Es besteht darin, sich mit zugehaltenen Ohren möglichst elegant in möglichst weitem Abstand an diesen gefährlichen Feuerschlünden vorbei zu schlängeln und dieses Verhalten dann als das einzig Richtige zu verkaufen.
Die Persönlichkeit von Papst Benedikt, vormals Kardinal, vormals Theologieprofessor Ratzinger, weist einige faszinierende Facetten auf, die sie in gewisser Weise einmalig macht. Gewiss, ein Papst muss immer gläubig sein, aber bei den meisten Christen und auch bei seinen Vorgängern hat dieser Glaube etwas Organisches, ein Zusammenspiel unterschiedlicher Komponenten, die sich mit dem Leben und Erleben des Menschen mit entwickeln. Papst Benedikt hingegen hat im Zentrum seines Glaubens eine absolute, abstrakte, sozusagen objektiv wissenschaftliche Überzeugung, die er aufgrund seiner theoretischen Neigung und Vorbildung auch klar formulieren kann.
Sie haben vermutlich mitbekommen, dass wir in ziemlichen Schwierigkeiten stecken. Die Geschichte mit der globalen Erwärmung haben wir in Europa und Nordamerika als bisher minder Betroffene noch gut weggesteckt. Andere Themen nehmen wir wohlweislich gar nicht zur Kenntnis. (Haben Sie in letzter Zeit einen Bodenkundler gefragt, wie es mit den landwirtschaftlichen Flächen der Zukunft steht? Tun Sie’s nicht.)
Unsere Fähigkeit, diese Drohungen zu ignorieren, haben wir vor allem daraus bezogen, dass unsere Wirtschaft und damit unser zentrales Orientierungssystem noch intakt war mit der persönlichen Aussicht auf Erfolg, das heißt finanziellen Erfolg, Sicherheit, das heißt finanzielle Sicherheit und Glück, das heißt ein durch die ersten beiden Faktoren finanziell unterfüttertes Glück. Und deshalb glaubten wir oder wollten wir es glauben, dass dieses System, durch das wir leben, den Mehrwert aufbringen würde, der nötig wäre, um die Herausforderungen zu meistern, vor denen die Menschheit steht. Den finanziellen Mehrwert, versteht sich, denn etwas anderes hatte das System nicht zu bieten.