Jun 052013
 

Ich komme gerade von einer Veranstaltung der Evangelischen Akademie in Tutzing. Der Titel lautete „Wissenschaftliche Politikberatung ohne Rat?“. Dieser Tagungsort hat den Vorteil einer wunderschönen Lage am Würmsee (von der gedankenlosen Masse auch als Starnberger See bezeichnet). Den Nachteil behalte ich für mich, schließlich will ich da irgendwann einmal auch aufs Podium. Es war eine Erfahrung, die ich als wertvoll bezeichnen möchte.

Don’t call us, just come to our event.

Veranstaltet wurde sie vom TTN, vom (evangelischen) Institut für Technik, Theologie und Natur­wissenschaft aus München. Meine evangelischen Gesprächspartner hatten mich darauf hingewiesen und den Leiter auch dazu gebracht, auf meine etwas unrealistischen Mails zu antworten, unrealistisch deshalb, weil ich vom Titel des Instituts darauf geschlossen hatte, dass es unter anderem an der Verbindung zwischen Theologie und Natur­wissenschaft arbeiten müsse.

Meine Botschaft „Hallo Jungs und Mädels, hier ist der Spezialist dafür“ ging insofern völlig an den Tatsachen vorbei, als dass das TTN dafür gegründet wurde und dafür da ist, Staats­kohle abzugreifen für die Ethikberatung von Politikern, was auch ich für eine hervor­ragende Idee halten würde, wenn ich nur wüsste, wie ich da rankomme. Der sehr höfliche Leiter wollte mir nicht direkt sagen, ich solle ihm mit meiner Grundlagenarbeit vom Hals bleiben. Vielmehr riet er mir, an der betreffenden Tagung teilzunehmen und dort zu networken in der zutreffenden Annahme, dass mir dann schon aufgehen würde, wie verkehrt ich bei ihm am Platze bin.

Technik, äh Theologie und Naturwissenschaft

Für diese Erkenntnis war nun kein übermäßiger analytischer Aufwand notwendig. Auch einem nicht besonders hellen Zeitgenossen wäre es aufgefallen, dass das Stichwort Religon/Glaube/Theologie in den Vorträgen des ersten Tages genau 2,5 mal gefallen war. Und im Fall, dass jemand meint, ich übertreibe: Das waren insgesamt genau 2 Sätze; als 0,5 rechne ich eine Bemerkung im dritten Beitrag über kulturelle Hintergründe, von der ich wohlwollender Weise annehmme, dass damit auch irgendwie dieses Christentumdings gemeint war.

Geh spielen, Kleiner

Gegen Ende des Tages wurde mir klar, dass ich hier entweder die Klappe halten oder irgendwann einmal die Blutgrätsche machen müsste, um auch die Grundlagen ins Gespräch zu bringen. Ein Thema bei dem Ganzen war natürlich, wie man von (angeblichen) Fakten der Naturwissenschaft zu Handlungsempfehlungen an die Politik kommen könne, im Grunde genommen die alte Problematik, dass aus dem Sein kein Sollen abgeleitet werden kann. Die Redner taten dabei immer so, als ob Max Weber dieses Problem entdeckt hätte (immer schön soziologisch bleiben und einen weiten Bogen um die Philosophie machen).

Das war offensichtlich die beste Vorlage, die ich hier bekommen würde. Ich meldete mich also in der Diskussion und wies darauf hin, dass Hume das alles schon vorher gesagt habe und dass hier das Christentum doch einen Beitrag leisten könne. Denn, wie aufmerksame Leser meines Blogs wissen, von den achsenzeitlichen Religionen liegen Konfuzius und Buddha von ihrem Schwerpunkt her ohnehin bei dem, was der Mensch tun soll, während das Christentum mit dem allmächtigen Gott der Achsenzeit (Deuterojesaias und Hiob) ganz auf der Seite des Seins ist. Und da es von dort den Weg zur Sollen Bergpredigt gefunden hat, sollte man da nicht einmal nachsehen?

Die Antwort war: Ja, ganz richtig,  Theologen sind in den Ethikkommissionen. Und (sagten Sie gerade nicht irgendwas von Buddha?) gerne auch andere Religionen, warum nicht? Und wer hat diesen Zeltprediger mit seinem Christentum hier eigentlich reingelassen?

Ein Juwel

Dieser erste Tag wäre also verloren gewesen, wäre mir in einem Pausengespräch nicht ein wahrer Diamant präsentiert worden. Ich unterhielt mich mit einem jungen Referenten aus Österreich, seinem Typ entsprechend sehr charmant und zugeneigt, bis er entdeckte, dass er seine Sozialkompetenz an einen Nobody verschwendet hatte. Aber bis dahin hatte er mir eben den erwähnten Diamanten geliefert.

Er erzählte, dass in Ethikkommissionen durchaus Theologen dabei wären, wobei sich zwischen den Konfessionen klare Unterschiede zeigten. Die Katholiken rangieren als auf Irrealität festgelegte Dogmatiker vom Ansehen her knapp über den Salafisten, während evangelische Thelogen durchaus geschätzt werden. Sie arbeiten sich hervorragend in die jeweilige Fachethik ein und treten z.B. als exzellente Bioethiker auf. Allerdings würden die anderen Teilnehmer ab und zu gerne auch ihren eigentlichen theologischen Standpunkt hören (war da nicht irgendwann einmal etwas mit Gott?)

Nicht zu vergessen, ich hatte am abendlichen Beisammensein ein paar anregende Gespräche mit ein paar sehr netten Leuten. Aber das war es, was ich vom ersten Tag mitnahm: Die beste und treffendste Anekdote über die beiden Konfessionen und ihre Vertreter, die ich je gehört habe.

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