Nov 192012
 

Basisdiskurs Religion XXXII>>>mehr

Ich hatte hier eine fulminante Einleitung für diesen Post geschrieben. Leider hat mir WordPress diesen Abschnitt von weltliterarischem Niveau bei einer Aktualisierung verschluckt. Deshalb kurz und einfach: Ich mache weiter bei dem Bild der zwei Waagschalen, wie ich es hier zum ersten Mal gebracht habe.

Zwei Fragen

So sehen also die beiden Waagschalen der großen Waage aus: Auf der einen Seite, der Seite Satans, die nach unten sinkt, sind die Reichen, die Satten und die Frohen. Auf der anderen Seite, der Seite des Himmelreiches, die nach oben steigt, sind die Armen, die Hungernden und die Traurigen. An diesem Punkt stellen sich (mindestens) zwei Fragen:

  • Kann ich mehr herausfinden über die Natur dieser beiden Bereiche: Satan und Himmelreich? Warum ist es z.B. schlecht, reich, satt und fröhlich zu sein? Und warum muss ich arm, hungrig und traurig sein, damit es mir im Himmelreich gut gehen wird (übrigens kein sehr aufmunternder Gedanke)?
  • Wie kann ich mir das Steigen und Sinken der beiden Schalen vorstellen? Wie sieht der Übergang von jetzt (Satan) zu später (Himmelreich) aus?

Feuer oder Senfkorn

Um mit der zweiten Frage zu beginnen: Der Übergang wird bei Matthäus äußerst drastisch ausgemalt: „Sogleich … wird die Sonne sich verfinstern, der Mond wird seinen Schein nicht mehr geben, die Sterne werden vom Himmel fallen und die Kräfte des Himmels werden erschüttert werden.“ Auch andere Bibelstellen, die diesen „Jüngsten Tag“ beschreiben, hören sich ähnlich ungemütlich an, z.B. im sogenannten Petrusbrief: „Kommen wird der Tag des Herrn wie ein Dieb; an demselben werden die Himmel prasselnd vergehen, die Elemente aber, von Glut verzehrt, sich auflösen.“

Angesichts dieser besorgniserregenden Zukunftsaussichten ist es verständlich, wenn viele Theologen eher sanftere Beschreibungen bevorzugen, so wie die im Gleichnis vom Senfkorn, ebenfalls bei Matthäus: „Das Himmelreich ist gleich einem Senfkorn, das ein Mensch nahm und säte es auf seinen Acker. Es ist das kleinste unter allem Samen; wenn er aber erwächst, so ist es das größte unter dem Kräutern und wird ein Baum, daß die Vögel unter dem Himmel kommen und wohnen unter seinen Zweigen.“ Diese Stelle scheint einen stufenweisen Übergang zu beschreiben: Das Himmelreich ist in irgend einem Sinne bereits ausgesät und wächst organisch, bis es seine volle Größe erreicht hat.

Weizen mit Unkraut

Den scheinbaren Widerspruch zwischen dem menschenfreundlichen Saatkorn und dem doch eher unfreundlichen Weltenbrand erklärt Jesus in einem anderen Gleichnis: „Mit dem Himmelreich ist es wie mit einem Mann, der guten Samen auf seinen Acker säte. Während nun die Leute schliefen, kam sein Feind, säte Unkraut unter den Weizen und ging wieder weg. Als die Saat aufging und sich die Ähren bildeten, kam auch das Unkraut zum Vorschein.

Da gingen die Knechte zum Gutsherrn und sagten: Herr, hast du nicht guten Samen auf deinen Acker gesät? Woher kommt dann das Unkraut? Er antwortete: Das hat ein Feind von mir getan.

Da sagten die Knechte zu ihm: Sollen wir gehen und es ausreißen? Er entgegnete: Nein, sonst reißt ihr zusammen mit dem Unkraut auch den Weizen aus. Lasst beides wachsen bis zur Ernte. Wenn dann die Zeit der Ernte da ist, werde ich den Arbeitern sagen: Sammelt zuerst das Unkraut und bindet es in Bündel, um es zu verbrennen. Den Weizen aber bringt in meine Scheune.“

Die Ernte

In diesem Gleichnis ist also beides vorhanden: Das ist das organische Wachstum des Himmelreiches, vertreten durch den Weizen., Und da ist das Feuer, in dem an irgendwann in der Zukunft, bei der „Ernte“, das Unkraut verbrannt wird, das sind die Anteile Satans an der Welt.

Das Wachstum des Guten reicht also nicht, um das Böse zu verdrängen und zu vernichten: Das Unkraut behauptet sich auf dem Acker und neben dem Senfbaum wachsen die finsteren Urwälder Satans.

Aber irgendwann wird ein Schlussstrich gezogen werden. Dann kommen von außen die Arbeiter in das Feld, sondern das Unkraut aus und verbrennen es. Dann wird jeder Baum, der keine guten Früchte bringt, umgehauen und ins Feuer geworfen werden, wie es in einem anderen Gleichnis heißt.

Und das bedeutet: Auf natürliche, organische Weise kann im Rahmen dieser Welt Satan niemals besiegt werden. Irgendwann in der Zukunft wird ein großes Ereignis stattfinden, in dem eine Macht von außen eingreift und seine Herrschaft vernichtet.

Gericht

Und natürlich ist ein wesentlicher Bestandteil dieser Ereignisses die Unterscheidung, was denn zum Himmelreich gehört und bewahrt und was zu Satan gehört und vernichtet wird. Um mit dem Gleichnis zu sprechen: Die Unterscheidung von Weizen und Unkraut.

Jesus schildert diesen Vorgang mit dem Bild eines Gerichts. Immer wieder kommt es in seinen Geschichten vor. Häufig richtet darin ein Herr über seine Knechte, meist war er in diesen Gleichnissen lange weg und kehrt dann zurück, um darüber zu urteilen, wie sie sich in seiner Abwesenheit verhalten haben. Einige dieser Gleichnisse werden im Laufe dieses Buches noch behandelt werden.

Ich habe zuvor die kritischen Exegeten erwähnt, also die Theologen, die mit wissenschaftlichen Methoden die Texte der Bibel untersuchen und die mit wahrer Begeisterung alles als spätere Zutaten entlarven, was in den Evangelien Jesus zugeschrieben wird. Einige sind so weit gegangen, dass sie bestreiten, dass Jesus überhaupt jemals von einem solchen Tag der Abrechnung mit Satan gesprochen hat. Das alles, so meinen sie, stamme von der Zerstörung Jerusalems durch die Römer, die bald nach Christi Tod stattfand. Die frühen Christen hätten dies als Strafgericht Gottes aufgefasst und nachträglich als „Jüngstes Gericht“ Jesus in den Mund gelegt.

Ich habe manchmal den Verdacht, dass diese Theologen die Predigt Jesu insgesamt als das zusammenhanglose Geschwätz eines etwas unkonzentrierten Gutmenschen auffassen. Diese beiden Bilder, das vom Feuer und das vom Gericht, kommen überall in der Predigt Jesu vor. Es gibt auch andere Worte, die das selbe meinen, etwa wenn Jesus von einen Tür spricht, die bald auf immer geschlossen wird und durch die man unbedingt hinein muss, wenn man dem Verderben entrinnen will.

Vor allem aber ist es die Natur der Herrschaft Satans selbst, die die unbedingte Notwendigkeit eines machtvollen Eingreifen Gottes mit sich bringt. Die Seligpreisung der Armen zu Beginn der Bergpredigt ist nur Hohn und Spott, solange man nicht an das tatsächliche Kommen des Himmelreiches glaubt, und Jesus glaubte daran. Das Himmelreich bleibt aber ein ohnmächtiger Traum, wenn die Welt so weiterläuft, wie sie es eben seit zehntausend Jahren tut.

Jesus wusste das. Denn er hat sehr genau erkannt, wer Satan ist und wie er herrscht.
(Fortsetzung folgt)

Der nächste Post des Basisdiskurses trägt den Titel „Wunder I: Von Markus bis Aristoteles„. Wenn Sie bei seinem Erscheinen benachrichtigt werden wollen, dann holen Sie sich in der rechten Spalte den RSS-Feed oder abonnieren Sie hier den Newsletter.

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