Basisdiskurs Religion XXII >>>mehr
In einem früheren Post habe ich bereits erste Überlegungen angestellt zum Thema der „vier edlen Wahrheiten“ des Monotheismus. Damit nehme ich natürlich Bezug auf die vier edlen Wahrheiten des Buddhismus, die als die grundlegende Aussage dieser Religion gelten. Sie gehen aus vom Menschen, von seiner Natur und seinen Möglichkeiten. Wenn ich nun diesen Ansatz auf den Monotheismus übertrage, so entferne ich mich damit sehr weit von seiner ersten Aussage, dem „es gibt nur einen Gott“.
Diese erste Aussage hat aber in unserer Zeit jegliche Kraft verloren, wie ich in meinem letzten Post argumentiert habe; das Wort „Gott“ ist zu einer leeren Hülse geworden, die ihr Leben nur noch aufgrund der Resttradition unseres Kulturkreises fristet. Jede Diskussion, die mit diesem Begriff „Gott“ beginnt, verwickelt sich nach den ersten Denkschritten in all die Hilfsmechanismen, mit denen wir den Glauben erklärt und abgesichert haben und verwehrt uns damit den Zugang zu seiner eigentlichen Natur und seiner ursprünglichen Kraft. Also beginne ich mit den „vier Wahrheiten“ an einem völlig anderen Ende.
Die vier Wahrheiten des Buddhismus
Wie ich in einem Post zur Anfang des Basisdiskurses ausgeführt habe, entstand der Buddhismus in der sogenannten Achsenzeit um ca. 500 v. Chr. Er war, wie auch der Konfuzianismus, die griechische Philosophie usw. der Versuch einer Neuorientierung des Menschen, einer Antwort auf die Frage, was das Wesen des Menschen sei und welche Folgerungen sich daraus ergeben für die richtige Art zu leben. Die Antwort des Buddismus ist konzentriert in den vier Sätzen:
- Das Leben ist Leiden
- Ursache des Leidens ist der Durst
- Es gibt einen Weg aus dem Durst und damit aus dem Leiden
- Dieser Weg ist der Achtfache Weg
Gemäß dieser Lehre ist der Mensch zunächst einmal eine Fehlkonstruktion. Von Beginn an wird er angetrieben durch den Durst (Begehren bzw. Abneigung, Gier, Sucht, das Verlangen danach, zu Werden und zu Sein). Daraus kann nichts Gutes entstehen und daraus entsteht tatsächlich nur Leiden. Die Therapie liegt in der systematischen Bekämpfung und Auslöschung dieses naturhaften Triebes durch den Achtfachen Weg.
Eine etwas andere Anthropologie
Auch der Monotheismus sieht den Menschen als ein Wesen, das in seinem Leben überall einen ganz grundsätzlichen Fehler begeht. Allerdings ist dieser Fehler nicht angeboren, sondern sozusagen eine schlechte Angewohnheit des Menschen, die er sich irgendwann einmal zugelegt hat. Die Geschichte vom Sündenfall ist eine dramatische Darstellung dieser Tatsache: Der Mensch lebte einst im Paradies, das er durch eigene Schuld verloren hat und diese Schuld haftet uns seitdem an, später als Erbsünde bezeichnet.
Um weit voraus zu greifen: Ziel des Monotheismus und der Weiterentwicklung des Christentums ist das vollkommene Leben aus einem Guss, wiedergespiegelt in dem Begriff des einen Gottes. Analog den Wahrheiten des Buddhismus würde ich dies so ausdrücken:
- Das Leben ist Nichtleben
- Ursache des Nichtlebens sind die Einteilungen
- Es gibt einen Weg aus den Einteilungen und damit in das Leben
- Dieser Weg ist der dreifache Weg
Wenn sich nun jemand durch diesen „dreifachen Weg“ an die Dreifaltigkeit erinnert fühlt (Gott Vater, Sohn und Heiliger Geist), so hat er ganz recht. Und wenn sich jemand nun fragt, ob dieser Ansatz wirklich stichhaltig ist oder ob ich nur irgendwelche Ideen in drei Schubladen mit der Aufschrift „Vater“, „Sohn“ und „Heiliger Geist“ verteilt habe, weil sich das so hübsch macht, so kann ich diese Skepsis verstehen. Die Dreifaltigkeit ist in dieser Zeit zu einer ziemlich blutleeren Sache herunter gekommen und wird meist eher als eine schwierige Hypothek empfunden, die dem Glauben vor vielen Jahrhunderten von übereifrigen Theologen aufgehalst wurde. Aber:
- Jeder der drei Wege hat ein eigenes, genau abgegrenztes Thema.
- Trotzdem baut der zweite auf dem ersten und der dritte auf den ersten beiden auf.
- Wenn ich zum richtigen Leben kommen will, kann ich auf keinen von ihnen verzichten.
Der erste Weg
Führt zur Erkenntnis der Welt und zur Erkenntnis meiner Rolle in ihr.
Der zweite Weg
Führt zum richtigen Handeln aufgrund dieser Erkenntnis.
Der dritte Weg
Beantwortet die Frage: Wie gehe ich mit den ersten beiden Wegen um?
Geschichte
Und hier ein erster Hinweis darauf, dass etwas mehr hinter dieser Aufzählung steckt als ein gewaltsames Vorgehen nach dem Motto „Dreifaltige dich oder ich fress‘ dich“: Von den drei Wegen gehört
- der erste zum monotheistischen Gott (Stichwort „Vater“)
- der zweite zu der Verkündigung des Gottesreiches (Stichwort „Heiliger Geist“)
- der dritte zum Begriff der Erlösung (Stichwort „Sohn“)
Dies entspricht der historischen Reihenfolge: Die Erhebung Jesu zur „Rechten des Vaters“ durch den Glauben der frühen Gemeinde ist untrennbar mit seinem Tod verbunden. Die Verkündigung des Gottesreiches lag davor; das Stichwort „Heiliger Geist“ spielt an auf Jesu Taufe im Jordan zu Beginn seiner Predigerlaufbahn, als laut dem Markusevangelium der Heilige Geist auf hin herabkam.
(Diese Stufung lässt sich übrigens gut nachvollziehen anhand des Glaubens der Ebioniten; das ist Gruppe derjenigen Judenchristen, die zwar noch die Verkündigung des Gottesreiches durch Jesus akzepierten, die spätere Erhöhung in göttliche Sphären durch das Christentum jedoch nicht mehr mit vollzogen).
Persönliche Summe
Ja, ich bin fest davon überzeugt, dass genau dies der eigentliche Kern des Christentums ist. Während meines schwierigen Weges war ich manchmal tatsächlich in Versuchung, zum Buddhismus zu wechseln, der so viel einfacher und klarer formuliert ist. Aber letzlich bin ich persönlich davon überzeugt, dass dies die beste Lehre ist, mithilfe derer wir Menschen uns in diesem kurzen und schwierigen Leben orientieren können. Nicht ganz einfach, aber letztlich in all ihren Teilen notwendig, wenn wir wirklich unser ganzes Leben damit meinen.
Also, beginnen wir.
Der nächste Post des Basisdiskurses trägt den Arbeitstitel „Noch einmal von vorne„. Wenn Sie bei seinem Erscheinen benachrichtigt werden wollen, dann holen Sie sich in der rechten Spalte den RSS-Feed oder abonnieren Sie hier den Newsletter.
Ein interessanter Ansatz, die christliche Lehre quasi buddhistisch zu fassen. Ich bin gespannt, wie es weitergeht. Die ganze Wege-Metaphorik birgt natürlich das Problem (wenn man es als Problem auffassen will) der Werkgerechtigkeit, nach dem Motto: Geh diesen Weg und Du wirst gerettet werden. Ich würd eher vermuten, daß man ein Stück des Weges getragen werden müßte, aber vielleicht ist Ihr Ansatz ja ähnlich. Daher: Ich bin gespannt auf das Folgende.
Gesegneten Sonntag