Basisdiskurs Religion X >>>mehr
Die Vorstellung der unbeschränkten Allmacht eines Gottes in dem Sinne, dass er alles bewirkt, was geschieht, ist in mehrfacher Hinsicht interessant. Sie hat sowohl Folgen für den üblichen Schöpfungsglauben als auch für unseren Blick auf die Welt, in der wir leben.
Kreationistische Tricks
In der gängigen Diskussion zwischen Christen und vor allem zwischen Christen und Atheisten nimmt die Vorstellung der Schöpfung einen großen Raum ein. Hierbei gibt es im Wesentlichen zwei Positionen.
Die erste ist die des Kreationismus. Seine Anhänger bestehen darauf, dass der biblische Schöpfungsbericht wörtlich zu nehmen ist (wobei es auch hier härtere und weichere Interpretationen gibt). In der Folge üben sie enormen politischen Druck aus, damit in den Schulen diese Version der Bibel als zumindest gleichwertig mit den Ergebnissen der modernen Naturwissenschaften gelehrt wird. Dieser ganzen Bewegung verhält sich allerdings ziemlich opportunistisch, indem sie so gut wie ausschließlich gegen die Evolutionstheorie vorgeht und dagegen die direkte Erschaffung aller Arten durch Gott propagiert. Diese Erschaffung verlegt die biblische Erzählung auf den sechsten Tag.
Der Bericht über die Tage eins bis fünf wird dabei unauffällig unter den Teppich gekehrt. Ansonsten müssten sie nämlich darauf bestehen, dass gemäß diesem Text die Erde selbst, Tag und Nacht sowie alle Pflanzen bereits vor der Entstehung der Sonne da waren. Dies wäre als wissenschaftliche Tatsache derart unglaubwürdig, dass es den ganzen Kreationismus bis auf die Knochen blamieren würde. Also verlässt man sich darauf, dass es niemand auffällt (offensichtlich zu Recht) und beschränkt sich darauf, die Evolutionslehre zu verprügeln.
Schöpfung als besonderer Akt
Die zweite Position besteht darin, die gängigen Theorien über die Entstehung des Universums zu akzeptieren, aber dabei jeweils Gott als den Urheber dieses Anhangs zu postulieren. Das Problem hierbei ist natürlich das, dass die Naturwissenschaft den Glauben vor sich hertreibt. Im Moment ist die Vorstellung meistens die, dass zu Beginn der Urknall war und Gott diesen Urknall ausgelöst hat. Sollten sich andere Theorien durchsetzen, dann wechselt man halt zu denen, was insgesamt ein ziemlich schwaches Bild ergibt.
Das Problem ist natürlich auch, dass unklar ist, was Gott tut, nachdem er die Welt erschaffen hat. Lässt er sie in Ruhe, das ist die Position des Deismus oder greift er ab und zu ein, um „Wunder“ zu wirken? In beiden Fällen wird vorausgesetzt, dass die Geschehnisse im Universum, zumindest normalerweise, von Naturgesetzen bestimmt wird, und dass in diesem Bereich Handlungen Gottes keinen Platz haben. Um z.B. Wunder zu tun, muss er zunächst die Naturgesetze aus dem Weg räumen und so einen Raum schaffen, innerhalb dessen er dann seinen Willen walten lassen kann.
Ob dies eine sinnvolle Vorstellung ist und wie man sie im Einzelnen verstehen soll, ist zwar eine knifflige Frage, die man aber außer acht lassen kann, indem man sich eben nicht mit so merkwürdigen Einzelfällen wie Wunder beschäftigt.
Umfassende Allmacht
Dieses Bild ändert sich, sobald ich die Allmacht Gottes, wie Jesaias, verstehe als alles umfassend, jedes Geschehnis auf der Welt bewirkend. In diesem Fall ist die Schöpfung nichts als ein Spezialfall dieser Machtausübung und betrifft eben die Geschehnisse ganz zu Anfang, wie auch immer man sich diesen Anfang vorstellen will. Dann wird aber alles in der Welt zu einer Art Wunder, zu einer Ausübung des göttlichen Willens und die Frage muss gelöst werden, wie sich diese Ausübung zu den Naturgesetzen verhält.
Mit dieser Frage werde ich mich in den nächsten Posts beschäftigen. Einer der wichtigsten Aspekte bei diesen naturwissenschaftlichen Betrachtungen spiegelt sich aber bereits in der religiösen Vorstellungen der damaligen Zeit.
Schöpfung als Orndung
Die Schöpfungsmythen des damaligen Nahen Ostens folgen zum größten Teil einer gemeinsamen Vorstellung: Dem Meer als dem ursprünglichen Ort des Chaos und der Erschaffung des Kosmos aus diesem Chaos („Kosmos“ bedeutet den geordneten Raum des Universums). Dieses Grundmuster findet sich nicht nur in der Bibel, sondern auch in den Schöpfungsmythen der Ägypter und in denen Babylons, festgehalten in dem Epos Enuma elis. Darin kämpft zu Beginn der große Gott Marduk gegen Tiamat, die Chaosgöttin des Meeres. Zuletzt bindet und tötet er sie und beginnt, aus ihrem Leichnam die Welt zu konstruieren.
Auch an anderen Stellen in der Bibel finden sich solche Vorstellungen, etwa wenn in Psalm 93 der Sieg Jahwes und der festen Schöpfung gegen die stete Brandung des umgebenden Meeres besungen wird.
Diese Vorstellung, dass die Schöpfung Gottes grundsätzlich das Reich der Ordnung und des Guten ist und dass seine Herrschaft dieses Reich aufrecht erhält und erweitert, findet sich an vielen Stellen, z.B. bei Goethe, wenn er den Teufel Mephisto bezeichnet als „des Chaos wunderlicher Sohn“. Jesaias und Hiob dokumentieren der Sprung aus dieser Vorstellung heraus, in eine neue, größere Vorstellung, die ihren Platz in der Reihe der Weltreligionen einnehmen wird. Das Chaos, das Dunkel, das Unheil ist Teil von Gottes Reich.
Der nächste Post des Basisdiskurses trägt den Titel „Zwischenmeditation: Das Zelt und die Wüste„. Wenn Sie bei seinem Erscheinen benachrichtigt werden wollen, dann holen Sie sich in der rechten Spalte den RSS-Feed oder abonnieren Sie den Newsletter.
Es bleibt spannend. Über den Ausschluß des Unheils aus Gottes Reich binn ich bisher immer zu ner ganz netten Kreuzesinterpretation gekommen. Das steht nun auf dem Spiel.
Der verlinkte Artikel ist in Teilen nahe dran. Aber furchtbar lang 😉
„Universum“
Die alten Weltschöpfungsmythen aus Mesopotamien z.B. kennen das „Universum“ nicht und genausowenig gibt es das im AT.
Die alten Weltschöpfungsmythen beschreiben die Entstehung der Erde aus einem Chaos, aber andere „Welten“, Planeten etc. kennen sie NICHT!
Die Sterne, die Sonne, der Mond etc. sind „Lampen“ am „Himmelszelt“ und nur zweckgebunden FÜR die Erde bzw. die Menschen. In manchen Texten sind sie nch Zeichen der Götter .. aber mit „Universum“ haben diese Mythen NICHTS zu tun. Damals hatte man noch überhaupt keine Vorstellung von einem Kosmos, der über eine Scheibenwelt mit ihrem hinausgeht.
Daher finde ich eine Deutung der alten Mythen auf unsere heutiges Bild von „Universum“ sehr weit hergeholt.
Die alten Schöpfungsmythen waren in dem damaligen einfachen Erkenntnishorizont der Jungsteinzeit (Sumerer und folgende) gefangen – ein ganz starken Indiz gegen eine göttliche „Offenbarung“ in diesen Mythen.
Hallo Sascha,
Religion braucht methodische Reflexion, deshalb sind Kritiken (fast) immer willkommen.
Die Breitseiten, die Du auf meine Posts abgefeuert hast, kann ich erst peu à peu beantworten. Erst mal diese hier:
Es geht hier ja um Schöpfung = Ordnung vs. Chaos. Natürlich hatten die Menschen vor 2500 Jahren einen anderen Begriff vom Universum als wir. Die heutigen Kreationisten stehen im Konflikt zwischen dem heutigen Weltbild und dem Schöpfungsbericht der Bibel jeweils an unterschiedlichen Positionen. Manche behaupten,dass die Erde tatsächlich genau so geschaffen wurde, wie es dort steht, andere akzeptieren die Kosmogonie der modernen Stellarphysik und bestreiten nur die Evolution des Menschen usw.
Aber alle zeichnen die Schöpfung als einen besonderen, wenn nicht sogar den einzigen Akt Gottes aus. Er gehört, nach ihnen, nicht in die gleiche Kategorie wie z.B. ein Regenguss nach einer Bittprozession. In der Schöpfung wurde die Ordnung der Welt festgelegt, wie auch immer diese Welt aussehen mag. Später greift dann Gott fallweise mit einem ganz anderen Art von Handlung in diesen Weltenlauf ein.
Dem gegenüber steht die Vision Gottes bei Hiob und Deuterojesaias. Seine Handlungen umfassen schon immer alles Geschehen, deshalb ist die Schöpfung selbst kein eigener Akt in einer eigenen Kategorie mehr. Und seine Handlungen stehen prinzipiell, von ihrem Wesen her, über menschlichen Ordnungsvorstellungen.
Erst mal so weit. Ich bitte um Geduld für meine nächsten Antworten.
Nix breitseite 😉 Ich hab den Blog nur gerade entdeckt …
Na, dann herzlich willkommen!