Der Titel ist leider ein Etikettenschwindel, er suggeriert nämlich, dass ich laufend zu solchen Events eingeladen werde, wo man Rotwein und Schnittchen abgreifen kann und sich selbst ganz toll findet, weil man dauernd so kluge Sachen sagt. Leider entspricht das nicht so ganz der Wahrheit, obwohl ich bei solchen Gelegenheiten immer sehr repräsentativ wirke (Wink mit dem Zaunpfahl. Einladungen jederzeit als Kommentar zu diesem Post).
Natürlich komme ich auch dabei immer auf meine Lieblingsthemen zu sprechen. Das kommt ganz von selbst, wenn ich gefragt werde, was ich so mache und ich dann von diesem Blog erzähle. Die Leute bekommen dann immer sofort etwas glasige Augen und erwarten, dass es jetzt gleich furchtbar langweilig wird, weil zu diesen Themen sowieso schon alles gesagt ist. Wie erklärt man also z.B. einem Verlagslektor, dass es da noch jede Menge offener Fragen gibt?
Der Dichter und der Meister
Mir ist dafür glücklicherweise der folgende Vergleich eingefallen: „Stellen Sie sich einen Schriftsteller vor, der sich ununterbrochen in seiner ganzen Produktion auf einen großen Vorgänger bezieht, der ständig betont, dass das Schreiben überhaupt nur Sinn macht, wenn es auf diesem großen Meisters aufbaut. Und stellen Sie sich weiter vor, dass die ganze Fachwelt, dass alle seriösen Forscher auf diesem Gebiet sich einig darüber sind, dass dieser Schriftsteller den großen Meister nie gelesen und sich auch nie so richtig über sein Werk informiert hat. Grund dafür ist die Tatsache, dass der Schriftsteller nirgends den Meister zitiert und dass die Themen seines Werks völlig verschieden von denen des Meisters sind.
Jeder, der etwas davon versteht, würde sagen, dass das einfach nicht sein kann. An irgend einem Punkt im Oevre des Dichters muss dieser Bezug auf den Vorläufer sichtbar sein. Vielleicht in verwandelter Form, vielleicht sogar als Negativ, als bewusstes Absetzen vom großen Vorbild und dem Suchen eigener Wege. Aber irgendwo muss sich dieses große Vorbild spiegeln. Und jeder würde es als die selbstverständliche Aufgabe der damit befassten Forscher ansehen, diesen Bezug zu finden. Keiner würde auf Dauer als Ergebnis akzeptieren, dass es da eben nichts gibt.
Aber genau dies ist der augenblickliche theologische Konsens in Hinblick auf Jesus und Paulus. Paulus hält natürlich Jesus hoch als Erlöser und Zentrum des Glaubens, aber in seinen Briefen zitiert er nirgends dessen Predigten und sein Fokus ist ein völlig anderer als der von Jesus. Und deshalb ist es Konsens unter den Fachleuten, dass er dessen Predigt nicht gekannt und sich dafür auch nicht interessiert hat, dass sie sich nirgends in seinem Werk wiederspiegelt.“
… (Drei Punkte)
Mein Gesprächspartner wusste offensichtlich nicht, was er von meiner Rede halten sollte. Er lächelte etwas ungläubig und meinte: „Das kann ja wohl nicht sein. Das Thema liegt doch auf der Hand. Irgend ein Doktorand wird doch da seine Arbeit drüber schreiben.“ Und plötzlich fiel ihm ein, dass er sich unbedingt noch ein Glas Rotwein holen müsse und war weg. Ich vermute, das lag zwar auch daran, dass er sich für das Thema nicht so brennend interessierte, andererseits aber auch an den offensichtlich abstrusen Behauptungen seines Gegenübers.
Ja, es ist aber so. Die Aufgaben der Theologie liegen auf der Hand (siehe mein Post Marcher aux canons), oder vielmehr die Aufgaben, die jede andere Wissenschaft auf diesem Gebiet sehen würde. Aber irgendwie …
Diese drei Punkte … sind ernst gemeint. Ich weiß einfach nicht, was hier vorgeht. Ich verstehe nicht, wie der Konsens funktioniert, dass das alles schon ok ist. Dass es diesen Hunger nicht gibt, tiefer zu graben, die Einheit hinter und unter all dem zu finden. Die Physik arbeitet trotz jahrzehntelanger Frustration unermüdlich daran, die Gravitation irgendwie mit der Quantenfeldtheorie einen Nenner zu bekommen und setzt im Moment ihre Hoffnung auf die Superstringtheorie. Dieser Hunger nach den Zusammenhang zwischen den Dingen ist die treibende Kraft nicht nur jeder Wissenschaft sondern der Neugier und des Denkens überhaupt.
Die große Paralyse
Diese Lähmung mag unterschiedliche Gründe haben. Eine davon ist wohl, dass es sich hier um „Glauben“ handelt. Dass es sich bei der Theologie nur um die Reflexion dieses christlichen Glaubens handelt. Dass es dadurch einerseits nicht so schlimm ist, wenn die Reflexion nicht so richtig hinhaut. Und dass man andererseits aufpassen muss, sich den Glauben durch allzu viele oder allzu kühne Reflexion nicht zu verderben.
Aber auf Dauer wird das nicht funktionieren. Der Zeitpunkt ist gekommen, als Theologe den sicheren Job als Hintergrundmusiker des Glaubens aufzugeben und das zu tun, was notwendig ist und auch Spaß macht: Fragen zu stellen und zu beantworten.
Der nächste Post hat, wenn alles klappt, den Titel „Die Pyramide der Vorfahren“ und enthält eine Videoaufnahme aus der Kickoffveranstaltung dieses Blogs. Wenn Sie bei seinem Erscheinen benachrichtigt werden wollen, dann holen Sie sich in der rechten Spalte den RSS-Feed oder abonnieren Sie den Newsletter.
„Ich weiß einfach nicht, was hier vorgeht. Ich verstehe nicht, wie der Konsens funktioniert, dass das alles schon ok ist. Dass es diesen Hunger nicht gibt, tiefer zu graben, die Einheit hinter und unter all dem zu finden.“
Da könnte ja jeder kommen
Das haben wir immer schon so gemacht
Das geht so nicht
So, oder so ähnlich, wurde mir vor kurzem berichtet, läuft es in der Jurisprudenz (ist natürlich überzogen und as dem Kontext gerissen). Und ehrlich gesagt glaube ich, daß man das auch ein Stück weit auf die Theologie übertragen kann:
Man erklärt Paulus aus dem Judentum, und man erklärt Jesus aus dem Judentum (was ja auch nicht falsch ist), aber man hütet sich, zu viele Verbindungen zwischen den beiden zu behaupten. Man begibt sich schließlich auf dünnes Eis, das ganz schnell brechen kann, wenn der Vorwurf der Unwissenschaftlichkeit oder Traditionshörigkeit im Raum steht (was nicht daran hindern muß, die in den sichereren Bereichen gefundenen Ergebnisse dann noch unter mständen mit einem frömmelnden Nachwort zu versehen). So versucht man, den Glauben von der Wissenschaft zu trennen (was ja eigentlich auch nicht verkehrt wäre).
Wenn ich es recht verstehe, schaltet man die frühe Gemeinde zwischen Jesus und Paulus. Jesus hatte Einfluß auf die Gemeinde, und Paulus übernahm dann die Überlieferung von ihr. Allerdings übernahm er eben nur die Auferstehung, nicht die Lehre Jesu (wie auch immer die ausgesehen haben mag).
Das wär jetzt mal ne ad hoc Erklärung von mir, ohne Ansprch auf Korrektheit oder Vollständigkeit.
„Der Zeitpunkt ist gekommen, als Theologe den sicheren Job als Hintergrundmusiker des Glaubens aufzugeben und das zu tun, was notwendig ist und auch Spaß macht: Fragen zu stellen und zu beantworten.“
Das würde echt mal Spaß machen. Dazu braucht man aber Zeit, und die hat man im Studium nciht unbedingt, und im Pfarramt dann auch nciht mehr. Und die Profs? Die finden u.U. andere Fragen spannend. Theologen soll es ja auch weniger geben als Physiker. Und ja, was ich hier vorbringe ist Tretmühle des Teufels.