Jan 012014
 

Am Neujahrstag 2014: Ich unterbreche meine Serie „Existiert Gott?“ und ich weiß nicht, ob ich zu ihr zurückkehre. Es wird für mich Zeit, die theoretischen Erwägungen zum Glauben hinter mir zu lassen und das Thema anzupacken, vor dem ich mich immer gescheut habe: Mich mit dem spirituellen Gehalt zu beschäftigen. Aber jetzt bin ich mir sicher. Es ist dies der erste Beitrag in einer neuen Reihe „Symbolon“.

Non sum dignus

Meine Scheu davor lag vor allem in meiner eigenen Person begründet: Wer den Menschen erklärt, welchen spirituellen Gehalt eine Idee besitzt, erklärt sich damit auch zum Experten zu diesem Thema, zu jemandem, der diesen Gehalt gemeistert hat oder ihn zumindest besser als die meisten Menschen versteht (denn ansonsten sollte er lieber den Mund halten und versuchen, weiter an sich selbst zu arbeiten).

Ich habe immer versucht, meinen wenigen Lesern meinen eigenen Weg nahe zu legen und mein eigener Weg war der über ein begriffliches Verständnis der Glaubensinhalte, allerdings immer mit dem Test, ob die von mir erkannten Inhalte auch, zumindest für mich persönlich, spirituelle Bedeutung hatten.

Ich habe nun das deutliche Gefühl, dass ich am Ende dieses Versuchs angelangt bin. Mein Skript ist fertig und stellt wohl das Optimum dar, was ich in dieser Richtung leisten kann. Es liegt bei einer Reihe von Verlagen, ob es zur Publikation kommt und was dann passiert, liegt nicht in meiner Hand. ( Falls es keinen Verlag findet, werde ich das PDF hier zum Download freigeben; bei 56 Seiten ist das für den User zumutbar.) Und ebenso habe ich das deutliche Gefühl, dass jetzt der nächste Schritt fällig ist.

Symbolon

Dies ist die alte griechische Bezeichnung für die ersten Glaubensbekenntnisse, von symballein, zusammenfügen, also eine Kondensation, eine kurz formulierte Liste der zentralen Glaubensinhalte. Das ist es, was ich vorhabe, allerdings nur für einen reduzierten Teil dieses Glaubens, nämlich seinen rein individualistischen, auf die Einzelperson bezogenen Teil. Ich hatte dieses Symbolon für mich ursprünglich als „Diamant des Glaubens“ bezeichnet, weil ich es so empfand: Ein kleiner, harter, vollkommener Kern, den man immer irgendwo am Leibe mit sich tragen kann; im Notfall kann ich ihn sogar verschlucken, so dass er völlig unsichtbar und trotzdem ganz bei mir ist.

Ich behaupte, dass dieses Kondensat so effektiv ist, dass es im ersten Ansatz auch ohne die Vorstellung eines personalen Gottes oder überhaupt eines Gottes funktionieren kann, als reine Formulierung von Prinzipien. Allerdings können diese Prinzipien erst dann ihre vollen Kraft entfalten, wenn der Mensch, der sie lebt, den entscheidenden Schritt zur Idee der Person Gottes tut. Er tut dies aber dann, weil er das aequum und das salutare dieses Schrittes erfasst hat.

Was darin allerdings fehlt, ist die Gemeinde, die Gemeinschaft der Gläubigen, der mystische Leib Christi, von dem Paulus spricht. Und es  fehlt auch der lebendige Bezug zu der ganzen christlichen Tradition nach Paulus, diese Tradition, die mir persönlich so wichtig ist.

Wo bleibt die Gemeinde?

Dieser Individualismus ist eine ernste Einschränkung. Wie Tertullian sagt: „Unus christianus nullus christianus„, ein einzelner Christ ist überhaupt kein Christ. Nun gut, wenn das wahr ist, dann ist mein Symbolon eben prächristlich oder sonst irgend etwas in dieser Richtung. Ich bin da durchaus entspannt, weil ich einfach keinen anderen Weg sehe, um diesen Glauben auf robuste Beine zu stellen, die ihn in unsere Zukunft tragen können. Unsere Welt ist zunehmend geprägt von der Individualisierung und Modularisierung des menschlichen Lebens,  ich muss mich kurzfristig aus bestehenden Zusammenhängen lösen und in neue einfügen können. Eine tragfähige spirituelle Entwicklung ist da nur möglich, wenn ich so einen Diamanten mit mir trage, den ich auf meinem Weg zu seinem immer höheren Glanz bringe.

Und die Tradition?

Ich hoffe natürlich, dass ein Mensch, der das Symbolon gemeistert hat, sich dann auch für die Tradition interessieren wird, in die es eingebettet ist. Das hoffe ich vielleicht nicht einmal als Christ, sondern als jemand, den der rapide Verfall jeder Verbindung zu unserer eigenen Überlieferung manchmal in tiefe Verzweiflung stürzt. Der stählerne Wille zur denkbar stupidesten Oberflächlichkeit und zu selbstzufrieden rülpsenden Vorurteilen zum Beispiel gegenüber dem Mittelalter kann mich in eine Raserei versetzen, die  – aber lassen wir das.

Mir fällt da ein Vergleich ein (mir fallen immer Vergleiche ein): Das Schiff des Glaubens sinkt, daran gibt es für mich keinen Zweifel, langsam, aber unausweichlich. Die stolzen Masten mit ihren breiten Segeln sind gebrochen und hängen am Tauwerk über die Bordwand, zusammen mit all den kostbaren Fahnen und Standarten, die über die Jahrhunderte daran aufgezogen wurden. Verwickelt in diese treibende Masse ist auch die Fracht, deretwegen das Schiff überhaupt erst in See gestochen ist. All das hat einen hohen Wert für die, die noch an Bord sind und der natürliche Instinkt ist der, an allem festzuhalten, was auch nur einigermaßen schwimmt. Aber es hilft nichts. Zuerst kommt die Entscheidung: Trauen wir es dem Schiff, seiner Konstruktion und seinen Materialien  noch zu, über Wasser zu bleiben? Falls nicht, dann ist es egal, dann wird es mit oder ohne all diese Dinge untergehen. Falls ja, muss die Axt ran. All das muss weggehauen werden, ohne Rücksicht, bis sich das Boot wieder aufgerichtet hat und leergeschöpft wurde. Dann wird man sehen, was man wieder an Bord nehmen kann.

Die Masten mit den Fahnen, damit meine ich die Tradition. Die Fracht, das ist die Gemeinde, die Gemeinschaft der Gläubigen. Das Schiff, befreit von allem bis auf die nackte Konstruktion, das ist das Symbolon.

Die Form

Die einzelnen Punkte des Symbolons (ich werde sie als Nexus bezeichnen), sind nicht einfach Inhalte oder Teilbegriffe, die nacheinander aufgezählt werden oder in dieser Reihenfolge aufeinander aufbauen, sondern sind auf verschiedene Weisen miteinander vernetzt und bilden ein komplexes, funktionales Ganzes. Deshalb werde ich sie auch in einer Art darstellen, die diesen vielfachen Bezug sichtbar macht. Dies ist die Grundform (ich denke, es ist erkennbar, warum ich auf die Idee gekommen bin, es als Diamant des Glaubens zu bezeichnen):

diamond0

 

Die fünf Schnittpunkte bezeichnen jeweils ein Element dieses Symbolons, die Linien dazwischen sind eine schematische Darstellung der jeweiligen Beziehung zwischen ihnen. Die Komplexität, die sich dahinter verbirgt, ist nichts anderes als die Komplexität des christlichen Glaubens selbst. Sie war oft ein Problem, zum Beispiel bei dem erbitterten Streit um die Dreifaltigkeit oder dem um die Rechtfertigungslehre. Sie hat aber auch einen großen Vorteil:

Der Einstieg in diese Spiritualität ist an jedem Nexus möglich, je nach der eigenen persönlichen Situation, kann zehnmal am Tag woanders erfolgen. Und der weitere Weg kann über jede von diesen Verbindungen erfolgen, kann immer wieder gegangen werden, auch in einer flüchtigen, oberflächlichen Art, wenn das eben im Augenblick nicht anders möglich ist. Jeder dieser Wege webt das Netz fester und macht das Symbolon zu einem immer selbstverständlicheren Kompass, Werkzeug, Verbandkasten und vielleicht auch Spielzeug des täglichen Lebens.

Viel versprochen, ich weiß. Aber ich habe Vertrauen.

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