Okt 302013
 

Dieser Post wird der erste einer Serie sein, die ich anschließend zu einer eigenen Seite auf meinem Blog zusammenfasse. Das tue ich nicht, weil mir dieses Thema so wichtig wäre; für mich habe ich diese Frage: „Existiert Gott?“ längst zufriedenstellend beantwortet. Ebenso wenig glaube ich, dass sie für andere spirituell wichtig wäre oder sein sollte. Sie muss einfach einmal aus dem Weg geräumt werden und vielleicht ergibt sich dabei hier und da ein Gedanke, der doch für die eigene Suche hilfreich ist.

Warum also?

Warum diese Frage gelöst werden sollte: Es ist trotz allem lästig, hin und wieder mit Vorstellungen konfrontiert zu werden, nach denen die Wissenschaft längst gezeigt hat, dass es Gott nicht gibt. Irritierend ist für mich auch die landläufige Vorstellung, dass man die Existenz Gottes weder beweisen noch widerlegen kann, irritierend deshalb, weil sie so tut, als sei hinreichend klar, was unter dieser „Existenz Gottes“ zu verstehen wäre und was unter einem Beweis oder einer Widerlegung dieses unbestimmten Etwas.

Und irritierend ist sind auch neuere Versuche, vor allem im angelsächsischen Bereich, die Existenz Gottes zu beweisen. Was dort demonstriert wird, sind mehr oder (eher) weniger überzeugende Argumente, dass der Urknall durch irgend eine Art von personalem Prinzip ausgelöst worden ist, dass es objektive moralische Kriterien gibt, die notwendigerweise von einer konkreten Instanz gesetzt wurden und was dergleichen Kunststücke mehr sind. Eine solche lose Sammlung dubioser Gedanken­konstrukte hat einfach nichts zu tun mit allem, was als zentraler Begriff „Gott“ einer monotheistischen Religion funktionieren könnte.

Der Gott der Philosophen

Für eine Antwort auf meine Frage ist es zunächst einmal von Vorteil, wenn ich eine gewisse Ahnung habe, von was ich eigentlich rede, wenn ich „Gott“ sage. Eine ordentliche Definition sollte sich natürlich auf die anerkannte Fachliteratur berufen, also zitiere ich die Formulierung von Swinburne zu Beginn seiner Schrift The Coherence of Theism:

… er ist eine körperlose Person (d.h. ein Geist), allgegenwärtig, der Schöpfer und Erhalter des Universums, ein frei handelndes Wesen, fähig, alles zu tun (d.h. allmächtig), allwissend, vollkommen gut, ein Grund für moralische Verpflichtung, unveränderlich, ewig, ein notwendig Seiendes, heilig und verehrungswürdig.

Wenn ich eine solche Aufzählung lese, entsteht in mir sofort ein turmhoher Berg von Fragen, die meisten davon haben zu tun mit dem inneren Zusammenhang dieser, oberflächlich gezählt, fünfzehn Eigenschaften; nicht umsonst beschäftigt sich das zitierte Buch in erster Linie mit eben diesem Zusammenhang. Glücklicherweise erlaubt mir mein Gegenstand, die Existenz Gottes, mich in dieser Sammlung auf diejenigen Punkte zu konzentrieren, die für diese Frage überhaupt relevant sind.

Drei Kriterien der Existenz

Für das Urteil, ob Gott oder irgend etwas anderes existiert oder nicht, sind zunächst einmal zwei Kriterien entscheidend: Faktizität und Widerspruchsfreiheit, bzw. das jeweilige Gegenteil Kontrafaktizität und Widersprüchlichkeit.

Faktizität heißt Übereinstimmung mit den Tatsachen. Wenn jemand behauptet, er habe neulich meine Enkelin getroffen, so kann ich zu Recht sagen: Es gibt keine Enkelin von mir.

Widersprüchlichkeit bedeutet, dass ein beschriebendes Etwas nicht existieren kann, weil die behaupteten Eigenschaften einander widersprechen. Wenn jemand von einem 2003 geborenen Hundertzehnjährigen spricht, so muss ich mich nicht näher mit den Tatsachen befassen, ich kann bereits aufgrund der Beschreibung feststellen, dass es so etwas nicht geben kann. (Sollte dieser fulminante Aufsatz im Jahre 3003 immer noch gelesen werden, so bitte ich darum, die Jahreszahl dementsprechend anzupassen)

Nun ist das wirkliche Leben und der tatsächliche Sprachgebrauch darin nie so klar und einfach. So könnte jemand argumentieren, dass es vielleicht eine Enkelin gibt, von der ich nichts weiß. Das heißt, dass ich in den allermeisten Fällen nicht von Sicherheit sprechen kann, sondern von der berühmten an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit oder von einer Tatsache, die über jeden vernünftigen Zweifel erhaben ist.

Und das führt mich zu einem dritten Kriterium, das ich Schädlichkeit bzw. Unschäd­lichkeit nennen möchte.

Schädlichkeit

Unter diesem Begriff fasse ich unterschiedliche Sprechweisen zusammen, die zwar nicht notwendigerweise kontrafaktisch oder widerspruchsvoll sind, die aber unserer üblichen und erprobten Art, von der Welt zu sprechen, auf eine der folgenden Arten schaden:

  • Sie gebrauchen übliche Ausdrücke in einem eigenen, unüblichen Sinn, ohne diesen Unterschied genau zu benennen und kenntlich zu machen.
  • Sie machen den Unterschied zwar kenntlich, die eigene, neue Bedeutung verbindet aber die bisherige, übliche mit neuen, stark unterschiedlichen Inhalten, die nach den Regeln unserer Sprache nicht in einen einzigen Begriff zusammen­gefasst werden sollten.

(Es geht hier nicht um formalisierte, wissenschaftliche Sprechweisen. Die Teilchenphysik benennt zum Beispiel die verschiedenen Eigenschaften der Quarks mit Ausdrücken wie Geschmack oder Farbe. Es ist aber erstens nach dem ganzen Umfeld klar, dass all das nichts mit dem üblichen rot, blau, salzig oder süß zu tun hat und zweitens leihen sich diese Begriffe nichts von der dieser üblichen, natursprachlichen Bedeutung, sondern werden restlos mathematisch definiert.)

Mein Begriff der Schädlichkeit ist zwar weit und unscharf, aber trotzdem brauchbar. Er ist sogar so weit, dass die beiden Kriterien des Kontrafaktischen und Widersprüchlichen als Extreme der Schädlichkeit gelten könnten: Man soll nicht Behauptungen aufstellen, die offensichtlichen Tatsachen widersprechen oder in sich widersprüchlich sind, weil man damit unsere Wahr­heitskriterien beschädigt, die ein wichtiger Teil unseres alltäglichen Sprachspiels sind.

Beispiele für einen solchen schädlichen Gebrauch eines üblichen Wortes gibt es viele. Üblich sind zum Beispiel „Verteidigungsministerien“, die sich die Bedeutung von „Verteidigung“ als berechtigte Abwehr eines Angriffes zunutze machen, um Kriege auf der anderen Seite des Globusses zu beschönigen. Oder den der „gelenkten Demokratie“ Putins, der zwar den Unterschied zum üblichen Begriff deutlich macht, aber doch so tut, als ob er doch eigentlich demokratisch wäre.

Der gute Gott

Solche schädlichen Ausdrücke können die ursprüngliche Bedeutung des betreffenden Wortes tatsächlich überwuchern und verbiegen; das „Verteidigungsministerium“ ist inzwischen allgemein akzeptiert und verbreitet unterschwellig die Vorstellung, dass es irgendwie doch etwas viel Besseres ist als das gute alte Kriegsministerium.

Bisweilen aber bleiben die Konflikte zwischen der allgemeinen Bedeutung eines Wortes und dem speziellen Gebrauch in einem bestimmten Zusammenhang unterschwellig bestehen und brechen immer wieder auf. Um jetzt meinem Thema etwas näher zu treten: Die Rede von einem „guten“ Gott, hat immer wieder Kritiker hervorgerufen, die den üblichen Gebrauch des Wortes in Widerspruch sehen zur Allmacht Gottes und die Verteidigung der Gläubigen darauf, die sogenannte Apologetik, hat diese Frage bisher nicht überzeugend ausräumen können.

Auf diese Frage der Güte Gottes werde ich noch ausführlich zu sprechen kommen. Hier nur so viel: Wenn ich eine schädliche Verwendung dieses Begriffs ausschalten will, – und das sollte ich tun – brauche ich eine genauere Bestimmung dessen, was damit eigentlich gemeint ist. Wie sich zeigen wird, ist das auch eine methodische Voraussetzung, um überhaupt über die Existenz Gottes zu sprechen.

Darüber mehr im nächsten Post!

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  2 Responses to “Existiert Gott? (1)”

  1. […] Hier geht’s los mit der Reihe “Existiert […]

  2. […] Na, wenn das kein Anreisser ist … Aber zuerst noch ein bisschen Theorie:  (Übrigens: Hier geht’s los mit der Reihe “Existiert […]

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